Heute war Strike for Future. Ein Tag, den ich im Glarnerland mit jungen, gleichaltrigen und älteren Menschen vorbereiten und verbringen durfte. Und nicht nur das: Ich durfte ein Rede halten. Die Fee in Echtzeit hat mir gutgetan.
Vor zehn Jahren hiess es: «Drei starke Gemeinden – ein wettbewerbsfähiger Kanton». Das war das Motto der schweizweit einzigartigen Glarner Gemeindefusion.
Vor zehn Jahren bin ich ins Glarnerland gezogen. Angezogen von der Landschaft, der Aufbruchstimmung, der Offenheit und Neugier der Menschen in diesem Kanton.
Heute sieht die Welt anders aus. Und heute heisst das Motto: «Drei klimaneutrale Gemeinden – ein überlebensfähiger Kanton.»
Heute haben wir mit dem Klimawandel und der Corona-Pandemie mindestens zwei globale Krisen am Hals, die sich gewaschen haben.
Der Klimawandel ist schon seit Jahrzehnten eine unserer grössten Herausforderungen. Die Pandemie dauert jetzt gut ein Jahr. Und die Geduld der Menschen ist schon jetzt am Ende.
Meine Geduld dauert schon ein ganzes Leben lang. 1973 wurde ich am ersten autofreien Sonntag der Schweiz getauft. Damals stiegen die Ölpreise und lösten in den Industrieländern Rezessionen aus.
Der Elefant der damals im Raum stand, steht auch heute noch im Raum: Unsere Abhängigkeit vom Öl, seine zerstörerische Wirkung und die Endlichkeit dieser Ressource.
48 Jahre später sind wir keinen Schritt weiter Richtung Besserung. Stellt Euch mal vor, wenn uns das mit der Pandemie passiert.
Die Coronakrise bewältigen wir in erster Linie mit technischen Massnahmen. Diese sind aber nur ein Teil der Lösung, sagen auch Medizinhistoriker mit Blick auf frühere Pandemien.
Technische Massnahmen sind auch ein wichtiger Teil im Umgang mit der Klimakrise. Das nationale CO₂-Gesetz und das kantonale Energiegesetz bieten solche technischen Lösungen. Es braucht aber noch mehr als Gesetze. Es braucht uns alle.
Heute sind wir zu Fuss von Näfels und mit dem Velo von Schwanden nach Glarus gekommen. Damit haben wir ein Zeichen gesetzt für eine emissionsfreie Mobilität.
Der Verkehr ist nämlich für ein Drittel des CO₂-Ausstosses in der Schweiz verantwortlich. Im Kanton Glarus stösst er jedes Jahr 77’000 Tonnen CO2 in die Luft. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie viel das ist – 77’000 Tonnen?
Weil wir Schweizer lieber Franken und Rappen haben: Der Klimawandel kostet uns künftig acht bis zehn Milliarden Franken im Jahr, wenn wir heute nichts unternehmen. Apropos unternehmen: Jedes Unternehmen hätte mit diesem Wissen schon längst gehandelt.
Will man ein Problem wirklich lösen, muss man die Hauptursachen anpacken. Der Strassenverkehr ist definitiv eine Hauptursache der Klimakrise.
Der Strassenverkehr ist aber auch selber eine Krise. Er führt zu fast 18’000 Unfällen mit über 3'500 Schwerverletzten im Jahr. Er braucht nebst der Energie viel Platz, führt zu Staus und macht uns krank mit Lärm.
Alleine der Lärm kostet uns heute schon 2,7 Milliarden Franken pro Jahr. Durch Staus kommen jedes Jahr weitere zwei Milliarden dazu.
Wenn wir jetzt das CO₂-Gesetz anschauen, argumentieren die Gegner mit zwölf Rappen Benzinpreiserhöhung. Auch in Frankreich hat dieses Thema vor drei Jahren heftige Proteste ausgelöst.
Anders als damals in Frankreich, fliessen die Abgaben aus unserem CO₂-Gesetz aber nicht einfach in die Staatskasse. Die Abgaben auf fossilem Heizen und Fliegen fliessen zu einem grossen Teil direkt an die Bevölkerung und Unternehmen zurück.
Schon heute gibt es eine Rückerstattung auf unserer Krankenkassenrechnung. Dieses Jahr beträgt sie 7.25 Franken pro Person und Monat. Eine Familie mit zwei Kindern erhält also schon heute 348 Franken im Jahr zurück. Mit dem neuen CO₂-Gesetz wird diese Gutschrift noch höher werden.
Der Rest wird in klimafreundliche Projekte investiert. Besser gesagt: In ein riesiges Impulsprogramm für die Schweizer Wirtschaft.
Auf Benzin und Diesel gibt es auch künftig keine CO₂-Abgabe. Treibstoff-Importeure sind selber zur Kompensation ihrer CO₂-Emissionen verpflichtet. Diese Kompensation können sie zum Teil mit Preisaufschlägen finanzieren.
Die Obergrenze für diese Zuschläge soll ab 2025 bei zwölf Rappen pro Liter liegen. Dass die Importeure die neue Obergrenze ausreizen, ist unwahrscheinlich. Heute beträgt der Zuschlag nur 1,5 Rappen bei einer Obergrenze von fünf Rappen.
Sogar wenn es künftig 12 Rappen sein sollten: Es wäre weniger als ein Fünfliber pro Monat und Haushalt. 4.50 Franken im Monat zusätzlich zur teuren Leasing-Rate für unsere fetten Autos. Maximal 4.50 Franken für die, die überhaupt einen Verbrenner fahren. Nicht einmal einen Fünfliber für künftige, aber auch für heutige Generationen.
Schon heute sterben Menschen an unserem Egoismus. Zum Beispiel wegen der Hitze: 2003 waren es in Europa 70'000 Tote. Betroffen sind vor allem ältere Menschen und Kinder.
In 20 Jahren gehöre auch ich zur Risikogruppe für den Hitzetod. Er äussert sich durch Hitzekrämpfe, Kreislaufversagen und chronischen Flüssigkeitsmangel.
Davor habe ich selber keine Angst. Dafür habe ich eine Patientenverfügung. Bis dann bin ich 68 und habe schon sehr viel konsumiert.
Sorgen macht mit etwas ganz anderes. Nämlich das Unverständnis und der Hass, der Menschen entgegenschlägt, die sich für eine bessere Welt einsetzen. Dabei geht die Klimakrise alle an.
Aber ausgerechnet die Wenigen, die sich für alle stark machen, werden nicht ernst genommen. Man geht ihnen aus dem Weg. Man steht höchstens im Geheimen hinter ihnen. Oder man macht sie mit allem Möglichen herunter.
Es müssen nicht alle Menschen bei der Klimabewegung aktiv sein. Aber die Menschen sollten endlich ihre Angst vertreiben. Und ihre eigene Kraft und die Kraft der anderen nicht länger verschwenden.
Verschwenden dafür, an alten Zöpfen festzuhalten, die uns in das Fiasko getrieben haben, in dem wir heute feststecken. Verschwenden dafür, uns als Gesellschaft immer noch mehr zu spalten.
Vor zehn Jahren war der Kanton Glarus trotz Ungewissheit in Aufbruchstimmung. Heute sind viele Menschen unzufrieden mit unseren Gemeinden. Ich bin das manchmal auch.
Aber ich lebe gerne im Glarnerland. Und darum ist es mir wichtig, dass wir alle künftig an diesem Ort gemeinsam gut leben können.
Halten wir also zusammen und haben Respekt voreinander. Und stehen wir nicht immer sofort auf die Hinterbeine, wenn es um Freiheiten geht, die gar keine sind.
Selbst wenn Bedrohungen nicht immer klar sind: Die Bedrohungen des menschgemachten Klimawandels sind erwiesen und offensichtlich.
Offensichtlich zum Beispiel mit einem geschwächten Schutzwald, kombiniert mit auftauendem Permafrost.
Auf solche Warnungen haben wir schon beim Bergsturz von Elm nicht gehört. Heute wissen wir: Sie waren alle berechtigt. Schon damals ging es um den Profit weniger zum Schaden vieler.
Also ab an die Urne mit einem Ja zum CO₂-Gesetz am 13. Juni und ab auf den Ring mit einem Ja zum Energiegesetz im September.
So einfach war’s noch selten, sich gesellschaftlich und politisch zu engagieren. Zum Wohl für uns alle – auch für Menschen, die diese beiden Vorlagen bekämpfen.
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