Es waren sehr schöne Worte und vielleicht der erste und letzte Moment, in dem heute ein Mensch für viele einfach nur sympathisch war. Ich wünsche ihm und seiner Chefin, dass beide das Schönste von allem trägt: die Liebe.
Klar kann man sagen, dass jede:r bei einer Antrittsrede nach der Wahl in den Bundesrat dasselbe tun und sich bei seinen Liebsten bedanken würde. Beat Jans tat es heute. Eigentlich landete ich per Zufall auf dem SRF-Livestream. Jetzt bin ich recht froh, dass die Wahl meinen Plan durchstreifte, mich nicht in einem News-Feed hinzugeben.
«Es gibt nichts Schöneres, als von eurer Liebe getragen zu werden.» Beat Jans, Bundesrat
Die Liebe zählt, aber nicht nur
Jans sprach heute nicht nur von Liebe – er lachte auch. Die Bevölkerung nennt er die Chefin. Ehrlich gesagt, musste ich vor dem Handy-Bildschirm weinen bei seiner Antrittsrede. Früher passierte mir sowas bei Alpabzügen. Ich bin recht froh, passierte es mir heute auch. Kurz nach seiner Wahl erhielt ich als SP-Newsletter-Abonnent einen Brief von ihm.
Lieber Werner
Ich bin in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und hätte es nie für möglich gehalten, jemals Bundesrat zu werden. Ich empfinde darum heute eine tiefe Demut diesem Amt gegenüber. Gleichzeitig freue ich mich unglaublich darauf, die SP und ihre Werte im Bundesrat zu vertreten. Bevor ich das Amt antrete, möchte ich mich von Herzen bedanken: Bei Jon Pult für den fairen und spannenden Wahlkampf während der letzten Wochen. Bei meiner Familie und bei meinen Freund:innen für ihre grosse Unterstützung auf diesem Weg. Und bei der SP, ihren Mitgliedern und ihren Unterstützer:innen. Vom Parteipräsidium bis zum Neumitglied, von Chur bis Basel, von Genf bis St. Gallen: Ohne das unermüdliche Engagement aller wäre die Schweiz, wäre die Welt ein schlechterer Ort.
Selbstverständlich bedeutet das Amt als Bundesrat auch einen Rollenwechsel. Doch ich verspreche Ihnen, dass ich stets unserem gemeinsamen Ziel einer sozialen Schweiz verpflichtet bleibe.
Herzlichen Dank.
Beat Jans, Bundesrat
Auch der abtretende Bundesrat kam heute zu Wort. Alain Berset bedankte sich ebenfalls bei seiner Familie und entschied sich zum Abschluss für schwarzen Humor verbunden mit einem herrlichen Wortspiel.
«Zu Lebzeiten abtreten zu können, ist eine ziemlich erfreuliche Sache.» Alain Berset, alt-Bundesrat
Das erotische Kapital in der Politik
Während seiner Amtszeit kam Alain Berset manchmal wegen seines Liebeslebens unter die Räder. Ich fand das Getue darum recht irrelevant. Wenn schon, vermittelte mir die Tatsache, dass er ein Liebesleben hat, seine Menschlichkeit. Vielleicht hat sogar das eine oder andere Paar von ihm gelernt, dass Monogamie nicht zwingend ein Zeichen für echte Liebe ist.
Eine persönliche Erinnerung an Alain Bersets Wahl ist auch, dass mir ein Freund sagte, er fände ihn sexy. Das finde ich nicht. Bei Beat Jans sehe ich das etwas anders. Das bringt mich zur Frage: Macht nicht nur Macht sexy, sondern machen sexy Auftritte Politker:innen mächtig?
Bei der Beantwortung bin ich auf den Artikel «Hübsch und geil? Die wähl ich!» im Tages-Anzeiger gestossen:
«In der medialen Informationsgesellschaft, die den Rednern immer weniger Zeit und Raum für Argumente zur Verfügung stellt, wird der visuelle Eindruck zunehmend wichtiger. Erotisches Kapital kann dazu dienen, politisches Talent besser zu verkaufen. Ohne politisches Talent aber läuft gar nichts.» Tages-Anzeiger vom 29. Juni 2011
Zurück von der Liebe über die Politik dann gleich noch zur Kultur mit dem Lied zum Tag und zum Beitrag.
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