Ende November schloss die Gemeinde Glarus die Gartensaison 2021ab. Dieses Jahr führte sie «Gartä Glaris» zum zweiten Mal durch. Die Aktion ist Teil des Projekts Entwicklung Innenstadt, das an der Gemeindeversammlung vom 26. November 2021 neuen Schub erhielt.
Wie das bewilligte Budget für einen Studienauftrag zur Aufwertung der Innenstadt, steht auch Gartä Glaris für das Bewusstsein der Menschen für den öffentlichen Raum in der Gemeinde Glarus.
Gärten prägen die Ortsbilder sowohl in der Innenstadt als auch in anderen Quartieren und Ortsteilen. Und Ortsbilder prägen – zusammen mit der Klangkulisse und den Duftnoten – unseren Eindruck der gemeinsamen Aussenräume.
Vier Siegerprojekte 2021
Nach der ersten Durchführung mit Jack und Frieda Iten, Jacob Marti und Magdalena Spörri als Gewinner:innen 2020, riefen die Gemeinde Glarus und der WWF Glarus 2021 mit «natüürli schüüni Gärtä» die Glarner:innen erneut zum Gärtnern auf.
Mittels Vorher-Nachher-Fotos konnten Trockensteinmauern, Blumenwiesen, Hochstauden, Hecken, Obstbäume, Ast- oder Steinhaufen, Gartenteiche, Dach- und Fassadenbegrünungen oder Insektenhotels in Szene gesetzt werden.
Am 15. November standen die Gewinner:innen 2021 fest: Margherita Rufibach-Bennardo (Riedern), Familie Feldmann Dreier (Glarus), Beatrice Buttinger (Ennenda) sowie Fabia Hadorn, Ava Schifferli und Soe Schlumpf (Ennenda).
Kommunikationsraum Garten
Als Übergangszone zwischen privatem und öffentlichem Raum übernehmen viele Gärten in der Gemeinde Glarus eine wichtige soziokulturelle Rolle. Sie tragen zu einem freundlichen Ortsbild bei, schaffen Atmosphäre für Aufenthalt und Möglichkeiten für Begegnungen.
Gärten funktionieren wie ein Medium zwischen Anwohner:innen, Nachbar:innen, Besucher:innen und Verbeiziehenden – sofern die Sicht hinein möglich und gewollt ist. Wer sich in einem solchen Garten aufhält, muss schon mal mit dem einen oder anderen Schwatz rechnen.
So habe ich in den letzten zehn Jahren mit vielen Glarner:innen über den Zaun meines Strassengartens Bekanntschaft geschlossen – zum Beispiel mit einer Dame, die ihren Kopf durch die Glyzinie streckte und mir zurief: «So klein, und schon ein Garten!» Oder mit einem Herrn, der mir einiges über Frost und Blüte beibrachte.
Winter im Garten
Im Winter können sich Gärtner:innen in der Regel zurückhalten. Schere und Säge bleiben weitgehend unbenutzt. Auch wenn sie scheinbar schlafen, kommunizieren Gärten in der kalten Jahreszeit weiter. Die einen zum Beispiel während der Weihnachtszeit mit Lichtinstallationen.
Dann erhalten sie allerdings von anderen Kommunikationsräumen Konkurrenz: Von den Adventsfenstern, die in den Ortsteilen und Quartieren leuchten. Auch sie erzählen Geschichten aus dem privaten in den öffentlichen Raum hinaus. Und auch sie führen zu Begegnungen und Gesprächen.
Fabrik- und Gartendorf
In Ennenda haben Gärten einen hohen Stellenwert. Zum Beispiel im Fabrikdorfquartier in der Talebene zwischen dem alten Siedlungskern und der Bahnlinie. Beim Ortseingang setzen die drei Häuserzeilen am Kirchweg ihr Glarner Pendant räumlich fort, unterscheiden sich aber durch die Pflanzgärten auf der Rückseite. Sie sorgen für Lebendigkeit im Quartier.
Anders, aber auch visuell einladend setzt das angrenzende Villenquartier auf Parkkultur, ebenso das stolze Gemeindehaus. Auf Parkkultur der anderen Art setzt auch ein ehemaliger Gartenteil, der Garagenboxen weichen musste.
Das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder (ISOS) sagt dazu im Teil Ennenda: «Die Probleme des ruhenden Verkehrs sind anders zu lösen, als durch das Aufstellen von Garagenboxen im Gartenland.» Immerhin: Auch Garagenboxen und Parkplätze können für Begegnungen sorgen und tragen auf ihre eigene Weise zum Ortsbild bei.
Innenstadt vor dem Umbruch
Von Ennenda zurück nach Glarus: Beide Ortsteile haben gemäss ISOS schützenswerte Ortsbilder von nationaler Bedeutung. Im Teil Glarus steht: «Innerhalb des gesamthaft schützenswerten Stadtzentrums verdienen die Bauten und Vorgärten entlang der Hauptachsen prioritäre Pflege.» Es sind zwar noch weitere Erhaltungshinweise zu finden, dieser Teil drückt aber treffend aus, dass Glarus eine wertvolle Innenstadt hat.
Ein wichtiger Schritt zum sorgsamen Umgang mit ihr ist ein Studienauftrag. 385'000 Franken kann die Gemeinde Glarus dafür ausgeben. Der neue Planungsanlauf erfolgt laut Memorial der Gemeindeversammlung vom 26. November in enger Zusammenarbeit mit dem Kanton.
Gestaltung, Aufenthaltsqualität und Verkehrsfluss werden dabei unter einen Hut gebracht. Es wird mit vier Teams gearbeitet. So entstehen auf verschiedenen Wegen unterschiedliche Ideen und Lösungen.
Menschliche Begegnung im Zentrum
An der Gemeindeversammlung sorgten sich einige Votanten, dass Tempo 30 folgen könnte, obwohl der Kanton diese Massnahme als Auflage an die Gemeinde explizit ausschliesst. Andere drängten auf die Umfahrungsstrasse, die mit 350 Millionen Franken das Tausendfache des Studienauftrags kostet.
Der Studienauftrag geht mit dem partizipativen Ansatz weg von einer einseitigen Betrachtung und schliesst alle Aspekte ein. Bei solchen Vorhaben hilft ein Blick nach aussen. So erhielt zum Beispiel das aargauische Baden den Wakkerpreis 2020.
Die Stadt investierte trotz viel Strassenverkehr konstant in die Aufwertung ihrer Plätze. Wie Baden und Glarus kämpfen viele kleine und mittlere Ortskerne mit ihrer Atmosphäre. Ihre Attraktivität ist auf menschliche Begegnung angewiesen.
Unmittelbares Wohnumfeld gewinnt an Bedeutung
Auch Herausforderungen wie eine Pandemie führen durch eingeschränkte Bewegungsfreiheit, abgesagte Veranstaltungen, gemiedene Innenräume oder Home Office zur wachsenden Bedeutung des unmittelbaren Wohnumfelds.
Das gilt auch ganz ohne Pandemie zum Beispiel für ältere Menschen oder Jugendliche, die nicht alle Mobilitätsformen frei wählen können, wie es die Generationen dazwischen tun. Oder für die Folgen der grossen gesellschaftlichen Transformationen wie Digitalisierung oder Klimawandel, die zu grundlegenden Verhaltensänderungen führen.
William Fuhrer von Dencity schreibt dazu: «Räume und Freiräume sollten menschliche Bedürfnisse wie Behaglichkeit und Aufenthaltsqualität erfüllen. Zudem geht es um Angebote in Gehdistanz. Sind Lebensmittelgeschäfte, Sport- und Bildungseinrichtungen, Freizeit- und Erholungsangebote wie Restaurants und Sitzbänke vorhanden, stärken sie das Quartierleben und Nachbarschaften.»
Genau an diesem Punkt geht es auch um Aktionen wie «Gartä Glaris»: Sie leisten Grosses im Kleinen.
Quelle: Diesen Beitrag habe ich ursprünglich im Kulturblog der Glarner Agenda veröffentlicht.
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