Regenbogensaison eröffnet
- Gratis und Franko
- 5. Mai
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 7 Tagen
Zürich, Basel oder Bern? Nein, es ist das beschauliche Toggenburger Städtchen Lichtensteig, das die Pride-Saison in der Schweiz eröffnet hat. Die Mini-Pride im Nachbarkanton liess sich eine Delegation der Glarus Pride nicht entgehen.
von Verein «Hössli Haus» und Projektgruppe Glarus Pride
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Medienmitteilung vom 5. Mai 2025
Während sich ein Teil der Glarner Delegation bereits der Stadtführung angeschlossen hatte, traf der zweite pünktlich zum Podium in der Kalberhalle zur Mini.Pride in Lichtensteig ein. Auf der Bühne sassen queere Menschen aus der Region zusammen mit der Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch und sprachen über Queersein auf dem Land. Der Tenor: Ja, klar geht das!
Pioniere aus Glarus und dem Toggenburg
Einer der Podiumsgäste war Philipp Hofstetter. Der Toggenburger Historiker ist zusammen mit dem Journalisten René Hornung Autor des Buches Urning. Es handelt von Jakob-Rudolf Forster. Der 1853 im Toggenburg geborene Forster ist wohl der erste Mann in der Schweiz, der es wagte, sich offen als «Urning» zu bekennen – so nannte man damals Homosexuelle.
Auch ein Glarner spielte schon früh eine wichtige Rolle bei der Gleichstellung der Liebe in allen ihren Facetten: Heinrich Hoessli (1784-1864) publizierte 1836 und 1838 als erster Autor im deutschsprachigen Raum mit «Eros, die Männerliebe der Griechen» ein Werk über die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Liebe.

Am Sonntag, 18. Mai 2025, sprechen Rolf Thalmann und Philipp Hofstetter um 15 Uhr im Kunsthaus Glarus von queeren Biografien aus der Ostschweiz, über ihre langjährige Arbeit für das Schwulenarchiv Schweiz, in der Heinrich-Hössli-Stiftung und in anderen organisierten Kontexten. Dabei entwickeln sie auch einen Zugang zur Sammlung des Kunsthaus Glarus.
Internationaler Museumstag 2025
18. Mai 2025
Kunsthaus Glarus
Inspiration für die Glarus Pride
Auf die Stadtführung und das Podium folgte ein bunter Umzug, an dem sich alle beteiligten: queere und nicht queere, junge und alte, binäre und non-binäre, einheimische und auswärtige Personen. In den Gesprächen unter den Teilnehmer:innen wurde klar: Lokale Prides oder Dorf-Prides sind wichtige Zeichen für ein wohlwollendes Zusammenleben.
Sowieso in einer Zeit, in der die Anführer von Grossmächten die Gleichstellung bedrohen. In der kleinsten gemeinsamen politischen Zelle, im Dorf oder in der Gemeinde, können es sich die Menschen nicht leisten, sich gegenseitig aufzuhetzen. Sie brauchen einander, damit die Gemeinde stark ist.

Deshalb setzt auch die Glarus Pride am 5. Juli 2025 auf Austausch, Begegnung und ein Programm mit Stadtführung, Lesung, Chorkonzert und Drag Show. Das OK der Glarus Pride zieht aus dem Besuch in Lichtensteig die Bilanz: «Die Veranstalter der Mini.Pride haben ein unvergessliches Erlebnis möglich gemacht und uns motiviert, auch an der Pride in Glarus einen Ort zu schaffen, an dem alle Menschen willkommen und dazu eingeladen sind, ihn bunt, friedlich, wohlwollen und respektvoll mitzugestalten.»
Glarus Pride 2025
5. Juli 2025
Güterschuppen Glarus
Organisationskomitee: Alexia Beccaletto, Simon Gisler, Audrey Hauri, Werner Kälin, Eva-Maria Kreis, Leana Meier, Manfred Müller, Matti Rach, Juno Tschudi und Kaj Weibel.
Quelle: Verein «Hössli Haus» – Projektgruppe Glarus Pride
Anders in Glarus
Bei Bekanntgabe der Glarus Pride hörte ich die Frage: Braucht es das in Glarus wirklich auch noch? Nach den Wahlen in den USA und dem Pride-Verbot in Ungarn lautet die Antwort: Ja, definitiv! Später hörte ich dann: Wieso macht ihr keine Party? Nach dem Besuch in Lichtensteig ist die Antwort etwas komplizierter.
Tatsächlich waren der Umzug und die Party in Lichtensteig sehr schön – bis auf einen Act am DJ-Pult, den ich zwei Stunden lang versuchte auszublenden. In Glarus hat sich das OK bewusst dagegen entschieden: Kapazitität, Erfahrung, Budget, Veranwortung, Sicherheit – ein basisdemokratischer Entscheid unter zehn engagierten Menschen.
Als junger Mann lernte ich die Pride in Zürich kennen. Damals nannten wir sie CSD. Am ersten Zurich Pride Festival half ich im OK mit. Danach wurden mir die Prides zu unpolitisch oder ich für sie zu politisch. Hätten wir damals aus Solidarität eine Reise an die Pride in Chisinau oder Belgrad organisiert, wäre ich dabei geblieben.
Erst als vor ein paar Jahren Frauen und Transpersonen bei den Reden auf dem Helvetiaplatz sichtbarer und lauter wurden, kam eine gehörige Portion politische Atmosphäre in die Angelegenheit.
Mit dieser Basis habe ich am 20. Juni 2025 an der Demo mehr Spass, mich zu betrinken, am Fest mehr Lust, alten Freund:innen zu begegnen, bei schlechter Musik mehr Grund, Typen anzugaffen und bevor die Partys beginnen, mehr Klarheit, mich auf den Heimweg zu machen (oder abschleppen zu lassen).
Ob es in Glarus auch ohne Umzug und Party geht, wird sich zwei Wochen später zeigen. Im Vorfeld ist die Glarus Pride gerade auch deswegen auf positive Resonanz gestossen. Und wer weiss schon, was die gemeinsame OK-Playlist so hergibt und was sich die Glarner Clubs und Beizen so überlegen.
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