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AutorenbildWerner

Wo die Ruhe am stärksten ist

Bald ein Jahr ist er her, mein letzter Saisonstart im Klöntal. Wie jedes Jahr, beginne ich ihn auch heute intuitiv im Richisau, an diesem schönsten Glarner Flecken Erde.


Jedes Mal ist die Fahrt mit dem Postauto ein kleines und feines Spektakel. Einsteigen in Bus 504 heisst, bereits in Glarus bekannten und unbekannten Gesichtern zu begegnen, die das gleiche Ziel haben. Auch Jarryd ist im Bus. Er macht vielleicht Fotos im Richisau, von denen ich eines für diesen Beitrag haben kann. Ich tauge nämlich nicht als Fotograf – und traue mich später prompt nicht ihn zu fragen.



Einige der Gesichter unterhalten sich fröhlich – andere geniessen einfach still die Aussicht auf der Fahrt durch Glarus, Riedern und das schmale, kurvige Löntschtobel hoch bis zum Halt am majestätischen Klöntalersee. Kaum weniger schmal und kurvig fährt der Bus weiter dem See entlang, bevor er Anlauf für die nächste Bergstrecke nimmt. Nach 44 Minuten ist Endstation am Sehnsuchtsort der meisten Passagiere.


Neues Wirtepaar, renovierte Sennhütte


Die Ankunft beim Gasthaus Richisau ist immer mit dem Gefühl verbunden, am richtigen Ort anzukommen. Die noch unter den Nebelschwaden schlummernde Gartenwirtschaft, die stets überlegene Ruhe, die scheinbar ewig existierenden Ahornbäume, das Arrangement der Gebäude und noch die Eindrücke der Busfahrt sind die Gründe für dieses Gefühl.


Ein weiterer Grund sind an diesem Sonntag die Gastgeber: Das neue Wirtepaar Jacob van Seijen und Anne Hurmerinta sowie Christian Portmann-Spälti von der Melchior & Katharina Kamm-Menzi Stiftung laden zur Saisoneröffnung ein.



Tatsächlich sind Jacob und Anne bereits seit Ostern für ihre Gäste da. Die beiden haben diesen Winter ihre Zelte im appenzellischen Trogen abgebrochen und sind an den Ort zurückgekommen, an dem sie sich kennengelernt haben – ins Klöntal. Man merkt es den beiden an: Sie arbeiten gern und fühlen sich wohl im Richisau. Bald werden sie ihre Wohnung in der frisch renovierten Sennhütte beziehen.


Architekt Thomas Aschmann führt Interessierte durch das sorgfältig instand gesetzte, über 250-jährige ehemalige Alpgebäude mit neuem Anbau, das sich nun als Bijou präsentiert. Die Mischung aus Erhaltung und Erneuerung ist genau richtig.



Auch das intensiv begrünte Dach des neuen, als Lawinenkeil ausgebildeten Anbaus löst einen leisen Schub der Begeisterung in mir aus. Hier geht das Gebäude förmlich über in den Ahornhain. Die beiden Personal- oder Gästezimmer im oberen Stock der Sennhütte wecken Lust auf Bleiben an diesem Sehnsuchtsort.


Erstaufführung einer Spurensuche im Klöntal


Immer mehr Gäste treffen zum Fest ein. Die Terrasse füllt sich. Die Menschen begrüssen und unterhalten sich. Auch die quirligen Gespräche vermögen das Richsau nicht aus der Ruhe zu bringen. Ihr kann selbst das eine oder andere ankommende oder vorbeifahrende Motorfahrzeug nichts anhaben.


Die Ruhe hat auch mit Jacob und Anne zu tun, die mit ihrer professionellen Gelassenheit wie gemacht sind für das Richisau. Als seien sie – wie die Ahornbäume – schon immer da gewesen.


Bild: Gasthaus Richisau


Wer auch schon immer da gewesen ist und alles über das Klöntal weiss, ist der Berg, der sich im Innern des Restaurants zu einer kleinen und doch imposanten Kulisse aufgebaut hat. Er beantwortet die Frage «Wer ist Richi?» und in ihm steckt Dan Wiener.


Zusammen mit Regisseurin und Autorin Maria Thorgevsky und drei Musikern präsentiert er die Erstaufführung der szenisch-musikalischen Spurensuche im Klöntal. Er hat schon viel gesehen, der Berg, und sagt: Der Berg spricht jede Sprache, in der ihm eine Frage gestellt wird – Echos sind multlingual.



Das Stück erzählt von seinen geologischen afroeuropäischen Eltern, von Kühen und Älplern, von den ersten Kurgästen, einem Ball auf dem See und von Richi und seiner Enkelin Anneli. Die beiden hätten sich vor langer Zeit dermassen gut versteckt, dass sie nie gefunden wurden. Noch heute sehe man s «t’Anneli» auf dem Ast des Ahornbaums, als den sich Richi getarnt hat.


Die Stiftung dahinter und die Charta für die Zukunft

Wiener ist ein Geschichtenerzähler mit Leib und Seele. Und ihn kennt man im Glarnerland: Im Riesenwald in Elm erzählt er die Geschichte von Martin. Das erfährt das Publikum im Gespräch mit Frau Landesstatthalter Marianne Lienhard.


Auch Jacob und Anne nehmen am Gespräch teil. Die beiden verraten nicht zu viel von ihren Plänen. Sie wollen, dass ihre Ideen mit der Zeit, dem Ort und den Gästen wachsen. Diesen Spielraum gibt den beiden die Melchior & Katharina Kamm-Menzi Stiftung. Die Stiftung kümmert sich um alles rund um das Richisau, damit sich das Wirtepaar auf das gastronomische Angebot konzentrieren kann.



Dazu gehört zum Beispiel die lokale Vernetzung über die Kantonsgrenze hinaus. Christian Portmann erwähnt in diesem Zusammenhang die Pragel-Charta, die in Entwicklung ist und eine Zusammenarbeit mit den anderen Betrieben diesseits und jenseits des Passes anstrebt. Die Gemeinden Glarus und Muotathal tragen das Vorhaben mit und unterstützen es.


Ziel sei die Förderung eines sanften Tourismus, der Gäste auch für mehrere Tage in der Gegend um den Pragelpass hält. Denn hier gibt es viel Spannendes zu entdecken – vom Höllloch über den Bödmerenwald und das Karstgebiet Silberen bis zur Käserei oder zur Lesung im Richisau.



Einen weiteren wichtigen Schritt in die Zukunft geht die Überführung der bisherigen Familienstiftung in eine gemeinnützige Stiftung Richisau. Diese stützt die Trägerschaft breiter ab und sichert sie langfristig.


Sommerliches Kulturprogramm in der Glarner Natur

So gut wie Punkt Mittag scheint die Sonne durch die Fenster der Gaststube. Sie lockt die Gäste nach einer unterhaltenden und kunstvollen Darbietung und einer sympathischen Gesprächsrunde raus auf die Terrasse zum Apéro und damit zu einem Vorgeschmack auf Jacobs Küche, serviert von Anne und ihrem Team.


Ohne zu viel zu verraten: Es schmeckt hervorragend und birgt viele kleine kulinarische Überraschungen. Die Freundlichkeit der Wirtsleute ruft nach Wiederkommen. Dieses Wiederkommen macht auch das Kulturprogramm einfach.


Zum Beispiel beginnt am 30. Juni der Literatursommer mit Peter Höner oder findet am 18. August ein Alpgottesdienst statt. Die Freude auf ein weiteres Programm, das der Ruhe im Richisau selbst bei Lautstärke stets ihren Raum lässt, darf auch dieses Jahr wieder gross sein.



Danke: Diesen Beitrag durfte ich ursprünglich im Kulturblog der Glarner Agenda veröffentlichen.

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