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AutorenbildDr. Wolf

Besser ein leises Frühlingserwachen

Wer gedacht hat, bei mir sei Schluss mit Ruhe, hat falsch gedacht. Am «Tag gegen Lärm» werde ich traditionell etwas laut.


Der Frühling bringt nebst spriessenden Blumen, warmen Temperaturen und zwitschernden Vögeln auch Lärm mit sich. Jetzt zieht es die Menschen wieder hinaus mit knatternden Motorrädern vom Töffli bis zur schweren Maschine, zum «Posen» mit lauten Sportwagen oder zum Rasenmähen in der Nachbarschaft. Das gemeinsame Motto: Hauptsache laut!



Der heutige «Tag gegen Lärm» setzt dagegen auf ruhige und akustisch attraktive Erholungsorte. Ruhepausen für die Ohren sind für unsere Gesundheit nämlich entscheidend. Denn Lärm löst Stress aus und macht krank: Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Schlafstörungen, aber auch Konzentrationsschwächen oder Depression.


Die Risikogruppe ist in der Schweiz mit 1,3 Millionen Lärmbetroffenen ziemlich gross. Den Löwenanteil von 1,1 Millionen verursacht der Strassenverkehr. Das kostet die Allgemeinheit eine ganze Stange Geld: Im Jahr 2019 waren es 2,83 Milliarden Franken; 80 Prozent davon löste der Strassenverkehr aus. Das hat auch Auswirkungen auf die Arbeitgeber: Geschwächte Fachkräfte sind weniger leistungsfähig und weniger verfügbar.


Es fragt sich also, ob es reicht, ruhige Erholungsorte zu suchen, oder ob es nicht besser ist, das Problem an der Wurzel zu packen. Suchen wir uns nämlich Erholungsorte mit dem Motorfahrzeug, machen wir auf dem Weg dorthin unsere Ortschaften und Dörfer laut. Ausserdem haben wir nicht alle und nicht immer die Zeit, einen Erholungsort aufzusuchen. Ruhe braucht es deshalb auch dort, wo wir unseren Alltag verbringen und uns aufhalten – also im Zuhause, am Arbeitsort und in den Freiräumen in den Dörfern und Ortschaften.



Zu den wirksamsten Massnahmen an der Quelle (oder an der Wurzel) gehört Tempo 30. Auch die Glarner Gemeinden machen vorwärts damit. Dem Bund und dem Kanton fehlt oft noch der Mut, ihre ortsdurchfahrenden Strassenanlagen zu beruhigen.


Überhaupt ist in der Politik und bei den Behörden «Generell 30» noch nicht salonfähig. Immerhin wurde die Verkehrsberuhigung zum Beispiel an der Gemeindeversammlung Glarus zurückgewiesen mit genau diesem Auftrag. Allerdings fehlt auch in der Zurückweisung der Mut zu einer echten «Generell 30»-Lösung: Sie schliesst die Kantonsstrasse(n) davon aus.


Noch scheint es also unwahrscheinlich, dass Glarus ein Pionierkanton wird und innerorts flächendeckend «Generell 30» einführt. Hoffentlich kommt wenigstens der Mut auf, beim Bau neuer Strassen die heutigen Ortsdurchfahrten mit einer Temporeduktion zurückzubauen. Auch das ist leider nicht sicher und macht neue Strassen vor allem zu Quellen für noch mehr Verkehr, Lärm, Kranke und Kosten.



Die Aufenthalts- und Erholungsqualität eines Ortes hängt auch von der Vielfalt positiv empfundener Geräusche ab. Massnahmen wie mehr Grün und mehr Wasser im Siedlungsraum haben auch positive Auswirkungen auf die Akustik. Mehr Natur im Siedlungsraum lockt Vögel und Insekten an. Die «gehörte Biodiversität» wertet Orte auf.


Diese Qualität ist auch ein Standortfaktor für unsere Gemeinden und ihre Dörfer. Wie es gelingen kann, sie zu steigern, zeigt am 12. Mai das Pop-up-Kino von «Filme für die Erde» mit der Doku «Metropolen in Bewegung – wie gelingt die Verkehrswende?». Die VCS-Sektion Glarus zeigt den Film im Umfeld der KlimaGlarus.ch-Ausstellung «Kunst & Konsum» um 20 Uhr im Güterschuppen Glarus.


Auch ohne den Film gesehen zu haben, können alle dazu beitragen, dass unsere Dörfer und Ortschaften nicht verlärmen. Zum Beispiel durch weniger kurze Auto- und Motorradfahrten, ein angepasstes Fahrverhalten ohne laute Beschleunigungs- und Bremsmanöver, Fahrgemeinschaften zwecks besserer Auslastung des Autos oder Nutzung des Velos oder E-Bikes auch auf dem Arbeitsweg statt nur in der Freizeit. Solche und andere Rücksichtnahmen fördern schon heute und ganz ohne teure bauliche Massnahmen mit öffentlichen Geldern ein angenehmes Zusammenleben und die Lebensqualität aller.



Quelle: Dieser Beitrag ist für die VCS-Sektion Glarus entstanden und ursprünglich in den «Südostschweiz Glarner Nachrichten» am «Tag gegen Lärm» vom 26. April 2023 erschienen.





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