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Überall und immer mit der Gondelbahn

Am heutigen Aktionstag «Verkehrswende jetzt!» habe ich zweimal ein paar Worte im extra Radio zum Tag verloren. Einmal wurde es aufgzeichnet und einmal war es live. Hat beides Verbesserungspotenzial. Mit der Substanz bin ich zufrieden.


Das aufgezeichnete Gespräch haben wir am Montag im Klimaraum Zürich aufgenommen. Ich konnte mich gut darauf vorbereiten, und weil in der Sondersendung schriftdeutsch gesprochen wurde, konnte ich eigentlich alles von meiner Vorlage ablesen. Das hat mich etwas zu wenig spontan gemacht.


Radio Verkehrswende zum Nachhören


Ab Stunde 2 Minute 18 ist zuerst das Live-Gespräch zu hören. Nachdem ich einen ziemlich holprigen Start mit der Technik hatte.



Interview zum Nachlesen


Ab Stunde 4 Minute 47 läuft das aufgezeichnete Gespräch von Montag. Und das gibt es hier auch schriftlich.


Dass es in der Innenstadt kein Auto mehr braucht, da stimmen noch einige Menschen zu. Dass auch im ländlichen Gebiet ein Auto nicht notwendig ist, das ist schon schwieriger vorstellbar. Werner, Du bist beim «Netzwerk zukunftsfähige Mobilität Glarus» und sagst genau das. Wie sieht Deine Mobilität heute auf dem Land aus?


Ja, die Ansicht, dass man auf dem Land ein Auto braucht, ist weit verbreitet. Auch bei den Städtern. Für die Leute auf dem Land ist das eine praktische Ausrede. Ich frage mich: Wo hört in der kleinen Schweiz eigentlich die Stadt auf, und wo fängt das Land an? Einfach dort, wo es Bauernhöfe hat oder dort, wo es keine Läden und keinen Halbstundentakt mehr mit dem ÖV hat?


Ich selber bin auf dem Land aufgewachsen und wohne seit elf Jahren im Kanton Glarus. Der Bahnhof liegt 50 Meter vor meiner Haustüre. Ich komme im Halbstundentakt nach Zürich oder Rapperswil, wenn ich mal raus muss. Das heisst, ich komme mit dem ÖV auch in fast jedes Glarner Dorf. Noch einfacher ist es mit dem Velo und sowieso zu Fuss.

Von meinem Dorf zum Kantonshauptort ist es weniger weit als in Zürich vom Limmatplatz zum Helvetiaplatz.

Ein paar Nachteile hat mein autofreies Leben auf dem Land natürlich schon. Zum Beispiel kann ich abends nicht einfach so spontan noch an den Klöntalersee fahren, weil der letzte Bus schon um 18.30 Uhr zurück fährt. Oder ich muss meine Wanderungen vom Talboden aus beginnen und kann nicht mit dem Auto die ersten 500 oder mehr Höhenmeter bequem hochfahren.



Diese Einschränkungen sind es aber Wert, mir den alltäglichen Stress zu ersparen, in einem Auto sitzen müssen und im Verkehr stecken zu bleiben. Aber es ist natürlich schon so, dass meine Mobilität auch stark vom Auto geprägt ist: Als Fussgänger und Velofahrer bin ich dem Strassenverkehr tagtäglich unmittelbar ausgeliefert, weil er viel Platz braucht, laut ist und stinkt.


Gerade Autolärm kennen wir als Problem sonst vor allem von Hauptstrassen durch Städte. Die Lärmbelastung in ländlichen Gebieten ist also auch durchaus störend?


Lärm stört nicht nur, er macht auch krank. Das Glarnerland ist eines der steilsten Alpentäler. Es geht von etwa 420 Metern über Meer bei der Linth in Glarus Nord bis auf 3613 Meter hoch auf den Tödi in Glarus Süd. Das heisst, dass der ganze Siedlungsraum auf den engen Talboden ist. Also auch der ganze Verkehr. Bei einer solchen Topografie hallt der Strassenlärm noch lauter als in der weiten Landschaft. Versteh mich bitte richtig:

Die Landschaft mit den beeindruckenden Bergen ist der Hammer. Zum Beispiel verfärben sich jetzt gerade die Wälder an den Bergflanken und es sieht wie im Indian Summer aus. Umso krasser kommt es mir vor, dass die Menschen dieses Bild mit ihrem Strassenlärm zerstören.

Im Kantonshauptort zum Beispiel leben rund 6000 Menschen. Jeden Tag werden dort 20’000 Fahrten mit Motorfahrzeugen gezählt. Im Verhältnis zu den Einwohner:innen ist das durchaus mit der Situation am Zürcher Rosengarten vergleichbar.


Ein solcher Krach auf dem Land ist nicht besonders förderlich für die Standortqualität und für den Tourismus, der Menschen aus der Stadt ansprechen will. Oder wollen diese Menschen etwa auf’s Land, um den gleichen Lärm wie in der Stadt um sich zu haben?


Was macht Euer Netzwerk, um die zukunftsfähige Mobilität in den Kanton Glarus zu bringen?


Wir sind ein junges Netzwerk, das noch wenig Aufmerksamkeit hat. Unser Kernteam besteht gerade mal aus vier Personen. «Verkehrswende jetzt!» ist unsere erste Aktion, mit der wir uns in einem grösseren Rahmen an die Öffentlichkeit wenden. Das braucht ein bisschen Mut von meinen drei Kolleginnen und mir, aber ohne Mut geht das halt nicht.


Wir fahren mit den Teilnehmenden vom Bahnhof Netstal zu einem Bauernhof, wo bis 2040 eine Umfahrung gebaut werden soll.

Dort lancieren wir eine Petition. Sie soll den Regierungsrat dazu auffordern, das Glarnerland als Pionierkanton für intelligente Mobilität zu positionieren.

Danach geht es weiter mit dem Velo nach Näfels auf einen anderen Bauernhof, wo der Bund mitten durch eine biodiverse Landschaft bald die erste der drei angestrebten Umfahrungen baut. Dort zeigen wir den Film «Home». Der Film der Schweizer Regisseurin Ursula Meier beginnt mit einer glücklichen Familie in ihrem ruhig gelegenen Heim. Nur wenige Meter vom Haus entfernt erstreckt sich eine nicht fertiggestellte Autobahn, die plötzlich doch noch eröffnet wird.



Uns ist natürlich bewusst, dass unser Einsatz für zukunftsfähige Mobilität nicht nach einem Aktionstag endet. Danach sammeln wir Unterschriften für unsere Petition und haben auch schon die eine oder andere Idee in unseren Köpfen. Wir wollen zum Beispiel unter dem Motto «Tatort» auf heutige und künftige Missstände hinweisen.


Das Wichtigste ist für uns im Moment, dass wir eine Bewegung aus Menschen zusammenbringen, die sich gemeinsam engagieren und so die Kraft aufbringen können, gehört und ernst genommen zu werden.

Wenn Du Deiner Vorstellungskraft freien Lauf lässt, wie sieht die Mobilität im Kanton Glarus aus, die Du Dir erträumst?


Zum Glück haben wir im Kanton Glarus eine ziemlich erfolgreiche und etablierte Klimabewegung. Schon vor drei Jahren haben wir an einem Workshop unter anderem Ideen für eine klimafreundliche Mobilität skizziert.


Das ist wichtig, weil der Verkehr im Kanton Glarus 90’000 Tonnen CO2 im Jahr verursacht und der Verein KlimaGlarus.ch anstrebt, dass das Glarnerland der erste klimaneutrale Kanton der Schweiz wird.

Ich wünsche mir, dass die Menschen im Glarnerland sich von ihrem Fokus auf das eigene Auto befreien und erkennen, welche Freiheit es bedeutet, nicht ständig in diesem Ding zu sitzen, das die Menschen voneinander abkapselt statt zueinander bringt, und unsere Umwelt belastet.

Ich stelle mir vor, dass es zwar noch Autos gibt, aber sich zum Beispiel eine Kultur des Mitfahrens etabliert. So werden die Fahrzeuge besser ausgelastet. Ich stelle mir auch vor, dass der Grossteil der Menschen zu Fuss oder mit dem Velo im eigenen Dorf oder im Nachbardorf unterwegs ist, weil dann Läden, Gesundheitsdienstleistungen und andere Angebote des täglichen Bedarfs nahe genug liegen.


Und es gibt viel mehr Komfort beim ÖV – vor allem was die Abend- und Nachtverbindungen und einen durchgehenden Halb- oder sogar Viertelstundentakt in alle Dörfer angeht.

Denn wer sich die sogenannte Unabhängigkeit mit dem eigenen Auto gewöhnt ist, steigt nur um, wenn der Komfort im ÖV gesteigert wird.

Das heisst auch, dass Car-Sharing und autonome Fahrzeuge Teil des ÖV-Angebots sind und private Personenwagen ablösen.


Wenn ich ganz weit träume, stelle ich mir sogar eine kantonsweite Gondelbahn vor, in die man überall und immer ein- und aussteigen kann. Natürlich fährt sie erst, sobald sie benutzt wird, ist ausschliesslich mit Glarner Solarenergie betrieben und ist zwar nicht gratis, hat aber ein einfaches und günstiges Tarifsystem für alle Generationen, für Einheimische und Gäste.



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