Mit der Debatte um das Aussetzen des Öko-Rappens der Gemeinde Glarus stellen die bürgerlichen Parteien, die Handelskammer und der Gewerbeverein ihr eigenes Engagement für die Glarner Wirtschaft in den Schatten.
Corona- und Klimakrise treffen die ganze Gesellschaft. Umweltthemen haben es in Krisen immer schwierig. Das Aussetzen des Öko-Rappens soll sechs Monate nach seinem Beschluss coronageplagte Unternehmen retten.
Sachliche Gründe: keine. Haushalte und kleine Betriebe haben ein Trinkgeld davon. Für grosse Unternehmen gibt es andere Quellen. Zudem: Erst recht ein grosses Unternehmen wird leider nicht mit 12'000 bis 30'000 Franken gerettet. Zugegeben: Das Klima auch nicht.
Der Hilfeschrei der Glarner Wirtschaft muss gehört werden. Wird er auch. Es ist grossartig, dass sich Parteien und Verbände für Unternehmen einsetzen. Die Verknüpfung mit dem Aussetzen des Öko-Rappens bringt leider eine andere Absicht ans Licht. Darauf weisen auch die waghalsigen Argumente für ein Aussetzen hin.
Die Glarner Textilindustrie wird ins Spiel gebracht. Sie wird leider mehr von globaler Billiglohn-Konkurrenz geplagt, als von einem Rappen Konzessionsabgabe für einen Fonds, der Auftragspotenzial für Glarner Unternehmen hat. Dann soll die Allgemeinheit nichts vom Energiefonds haben. Wieso nicht, wenn damit Liegenschaften saniert werden, die der Allgemeinheit gehören?
Unterstützt wird das Aussetzen auch von Menschen, die den Klimawandel auf die Bevölkerungszunahme abschieben – das katapultiert uns 50 Jahre zurück zu James Schwarzenbach. Und: Wer sich für den Öko-Rappen und gegen sein Aussetzen ausspricht, wird als Populist in die Ecke gestellt.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Solche Argumente bestätigen bloss, dass keine sachlichen Gründe existieren, persönliche Kränkung aufgrund einer verlorenen Abstimmung aber schon. Von unbürokratisch kann bei der voraussehbaren Aufregung auch keine Rede sein.
Es ist zielführender, den destruktiven Teil des Weges zu verlassen und sich jetzt den Fehler einzugestehen: Den Fehler, die Rettung der einheimischen Wirtschaft mit dem Aussetzen des Öko-Rappens zu verknüpfen, weil eine Suppe immer noch nicht verdaut ist, die vor sechs Monaten gegessen wurde.
Auch wenn es «nur» 114 Stimmen waren: Gerade die Coronakrise zeigt, dass jedes Leben zählt. Schlussendlich waren übrigens 137 Menschen gegen die Streichung der Konzessionsabgabe.
Quelle: Diesen Beitrag durfte ich ursprünglich als Leserbrief in den Südostschweiz Glarner Nachrichten publizieren.
Update
Am 16. Juni 2020 hat der Gemeinderat Glarus die schrittweise Einführung der neuen Öko-Abgabe beschlossen. Dadurch gelangt jährlich eine halbe, statt eine ganze Million Franken in den Energiefonds für Massnahmen, die Treibhausgasemissionen reduzieren oder anderweitig ökologisch vorbildlich sind. Die bürgerlichen Antragssteller erachten den Verzicht auf das vollständige Aussetzen als mutlos. Die Klimabwegung setzt auf Impulse für die Krisenbewältigung. Bis zum 1. März 2021 hat der Kanton Glarus 3,5 Millionen Franken für Corona-Härtefälle in der einheimischen Wirtschaft freigegeben.
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