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Im April sass ich mal wieder im Landartssaal. Dieses Mal blieb ich ruhig. Im Januar und Februar war das anders.
Bald, an der Landsgemeinde vom 4. Mai 2025, kommt nun das zur Sprache, wozu ich im Landrat was zu sagen hatte – das neue Gesetz über den öffentlichen Verkehr. Der Landrat behandelte es am 22. Januar und am 19. Februar 2025.
Das erste Votum war vorbereitet, hielt ich aber nicht.
Landratssitzung vom 22. Januar 2025
Traktandum 7: Gesetz über den öffentlichen Verkehr
Artikel 1, Abs. 2
Es werden namentlich folgende Ziele verfolgt:
a. optimaler Anschluss des Kantonsgebiets durch das kant. öV-Netz;
b. Erschliessung aller Ortschaften durch das kant. öV-Netz;
c. Wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel;
d. attraktive und behindertengerechte Ausgestaltung der Transportketten;
e. Berücksichtigung und Integration neuer Technologien und Mobilitätsformen
Frau Präsidentin
Meine Damen bis Herren
Ich beantrage, bei Buchstabe C die Formulierung «wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel» durch «nachhaltige Verwendung öffentlicher Mittel» zu ersetzen.
Wir alle kennen die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: die wirtschaftliche effiziente, die sozial gerechte und die ökologisch tragbare. «Nachhaltig» trägt einem Service public besser Rechnung – also der Grundversorgung, in diesem Fall dem Zugang aller Menschen in unserem Kanton zur Mobilität.
Setzen wir die Mittel für den öV nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein, und wenden wir diese Logik im motorisierten Individualverkehr nicht an, bleibt es schwierig für die Verkehrswende, die für unsere Wirtschaft dringend nötig ist.
Danke für ihre Unterstützung.
Weil ich dieses Votum nicht hielt, gibt es hier ein Votum von der anderen Seite der Welt.
Meinem zweiten vorbereiteten und ersten gehaltenen Votum ging ein Antrag von Kaj Weibel, Grüne und Jungrüne Fraktion, voraus.
Landratssitzung vom 22. Januar 2025
Traktandum 7: Gesetz über den öffentlichen Verkehr
Artikel 1, Abs. 3 (neu)
Grundsätzlich werden die Verkehrsverbindungen mindestens im Halbstundentakt geführt. Das ÖV-Konzept sieht bei einzelnen Linien oder Betriebszeiten Ausnahmen vor, wenn die abzugeltenden Kosten unverhältnismässig sind.
Frau Präsidentin
Meine Damen bis Herren
Stimmen Sie dem Antrag von Landrat Kaj Weibel zu.
Vielleicht haben Sie sich auch schon gewundert, dass die S25 von Zürich zwar auch am späteren Abend noch nach Ziegelbrücke, aber nicht mehr ins Glarnerland weiterfährt. Dieser Stundentakt ist nicht gerade eine komfortable Verfügbarkeit. Dabei braucht es den Komfort, damit mehr Menschen auf den öV umsteigen.
Es geht aber nicht einfach darum, dass wir noch spät von oder nach Zürich fahren können. Es geht darum, dass wir innerhalb unseres Kantons flexibler und unabhängiger mit dem öV unterwegs sein können.
Klar hat es zum Beispiel in der Nacht weniger Verkehr auf den Strassen. Wer aber nachts mit dem öV nicht mehr heimkommt, entscheiden sich meistens fürs Auto. Und das nutzen die Menschen dann auch tagsüber.
Geschätzte Kolleg:innen
Folgen sie dem Antrag von Landrat Kaj Weibel, damit mehr Menschen auf das Auto verzichten können, und unsere Strassen entlastet werden. Und damit alle Menschen, die freiwillig oder unfreiwillig kein Auto haben, nicht benachteiligt sind.
Vielen Dank.
Mein drittes Votum basierte ebenfalls auf grüner Vorarbeit.
Landratssitzung vom 22. Januar 2025
Traktandum 7: Gesetz über den öffentlichen Verkehr
Artikel 11
Anforderungen an de Wirtschaftlichkeit: Angebotsausbauten haben einen Mindestkostendeckungsgrad von 20 Prozent aufzuweisen.
Frau Präsidentin
Meine Damen bis Herren
Stimmen Sie dem Antrag von Landrat Kaj Weibel zu.
Ich habe vieles dazu schon in meinem Votum zu Artikel 1, Abs. 2, Buchstabe c gesagt. Und komme wieder zurück auf die Nachhaltigkeit in allen Dimensionen.
Bei Artikel 11 und dem Kostendeckungsgrad schaffen wir einen rein wirtschaftlichen Automatismus, der unsere Entwicklung als moderner und lebenswerter Standort gefährdet oder zumindest hemmt.
Für diese Entwicklung brauchen wir ein komfortables öV-Angebot – aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht zum Beispiel von und zu unseren Entwicklungsschwerpunkten. Dort steht also die Huhn-oder-Ei-Frage im Raum: Bauen wir und erschliessen erst, wenn schon alle Tiefgaragen gebaut sind? Oder erschliessen wir zuerst, um den Standort attraktiver für nachhaltige Investitionen zu machen?
Der Kostendeckungsgrad widerspricht aber auch dem sozialen Gedanken, also dem Service public, unserer Grundversorgung – in diesem Fall dem Zugang aller Menschen in unserem Kanton zur Mobilität.
Danke, dass sie der Streichung von Artikel 11 zustimmen.
Bei der zweiten Lesung des Gesetzes setzte ich mich für einen Artikel ein, der mir eigentlich ein Dorn im Auge war.
Landratssitzung vom 19. Februar 2025
Traktandum 3: Gesetz über den öffentlichen Verkehr
Artikel 5 – Erschliessung Braunwald
Antrag Adrian Hager (und Regierungsrat):
1 Das Zentrum von Braunwald wird mittels Standseilbahn erschlossen.
2 Der Kanton erschliesst den Hüttenberg ab der Bergstation der Standseilbahn.
Frau Präsidentin
Meine Damen bis Herren
Im Namen der SP-Fraktion bitte ich Sie um Zustimmung für den Antrag des Regierungsrats.
Die SP und ich beantragen das allerdings nicht aus voller Überzeugung. Mir persönlich wäre es zum Beispiel lieber, würde in Artikel 5 stehen, dass Ennenda mittels Bahn und Bus erschlossen wird und der Kanton die Ennetberge ab dem Bahnhof erschliesst.
Aber lassen wir das – oder eben: Spass beiseite. Schliesslich geht es beim öV-Gesetz nicht um meine persönlichen Wünsche. Und schliesslich liegt es in der DNA eines Sozialdemokraten, dass er sich für andere einsetzt.
Eigentlich gehören die Namen Braunwald und schon gar nicht Hüttenberge in dieses Gesetz. Eigentlich müssten dann auch Sool, Matt, Linthal, das Klöntal, der Obersee, Filzbach oder Bilten drin vorkommen. Und eigentlich gehört das Angebot in das ÖV-Konzept.
Eigentlich wissen wir das alles. Ein echtes Argument für diesen Artikel 5 zu haben, ist also ziemlich umständlich. Wo ich aufgewachsen bin, hat man sowas «gersauern» gesagt.
Ich versuche es trotzdem, mich für den Artikel 5 einzusetzen:
Erstens, um den Kanton nicht als unverlässlich darzustellen. Wir haben ja versprochen, dass die Landsgemeinde bei der Erschliessung von Braunwald mitbestimmen kann.
Zweitens, weil wir dieses öV-Gesetz jetzt brauchen, damit möglichst viele Menschen im Glarnerland das Auto stehen lassen können und der systemrelevante Strassenverkehr nicht im Stau kollabiert.
Und drittens, weil die etwa 300 Menschen, die im autofreien Braunwald leben, auf den öV angewiesen sind.
Hinter Drittens steckt aber auch ein grosses Problem, den Artikel 5 aufdeckt: In unserem Kanton leben 42’000 Menschen, die meisten davon im dicht besiedelten Talboden. Dort ist der öV aus ganz anderen Gründen wichtig, wie in Braunwald. Nämlich weil die vielen Menschen, die dort wohnen, weniger Autofahren sollten, zum der Wirtschaft und Glarus Süd nicht mit Stau Kummer zu bereiten.
Damit das gelingt, braucht es nicht nur ein funktionierendes, sondern ein modernes und komfortables öV-Angebot – eben zum Beispiel mit mindestens einem Halbstundentakt und Haltestellen in Gehdistanz von Zuhause und vom Arbeitsplatz.
Wenn wir in die Erschliessung von Braunwald unverhältnismässig viel Geld stecken müssen, darf das Geld dann nicht ausgerechnet für das öV-Angebot fehlen, wo es der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Glarnerlands am meisten nützt. Eben im dicht besiedelten Talboden.
Trotzdem: Stimmen Sie zu, damit wir unser Versprechen einhalten, dieses Gesetz auf den Boden bringen und danach ein modernes und komfortables öV-Angebot für das ganze Glarnerland zusammenstellen können. Eines, das möglichst viele der restlichen 41’700 Glarner:innen nutzen und die Botschaft von «Braunwald autofrei» auch im schönen Talboden verbreitet.
Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Am Sonntag kommt nun das öV-Gesetz vor die Landsgemeinde. Ich bereite mich mal vor. Nur soviel: Die SVP, FDP, die Mitte, die Grünlberalen und die Grnen stimmen der Vorlage zu. Auch die SP macht das ihrerseits in ihrer Landsgemeindzeitung. Dort und an der Landsgemeine kommen gleich drei Parolen zu verkehrsrelevanten Themen vor.
«Der Regierungsrat will den Gratis-öV an die Landsgemeinde streichen – Einsparpotenzial: 25'000 Franken. Für die SP passt es nicht zusammen, die Teilnahme an der Politik fördern
zu wollen, aber neu die Anreise zum wichtigsten politischen Anlass kostenpflichtig zu machen. Und: Wer weiter weg wohnt, zahlt mehr; es sollen aber alle Stimmberechtigten gleichbehandelt werden. Wir beantragen deshalb Folgendes: Die Fahrt vom Wohnort an die Landsgemeinde und retour soll mit Stimmrechtsausweis und für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre gratis bleiben.
Weltweit, auch im Glarner Landrat und in unseren Gemeinden, lautet das Credo: Sparen! Staaten, Kantone und Gemeinden sind jedoch nicht Unternehmen, die anbieten, was rentiert. Sie haben gesetzliche Aufträge, welche den sozialen Frieden, Gleichstellung und Demokratie fördern. Gerade jetzt, wenn der Ton in der Welt härter wird, sehe ich diese Aufgaben als sehr wichtig an. Wir brauchen Zusammengehörigkeit, die nicht ausschliesst. Wir brauchen Orte, wo wir uns treffen und Geselligkeit erleben. Wir wollen uns umeinander kümmern und dem Gemeinwohl hohe Priorität einräumen.
Und ja, sparen führt zu Verteilkämpfen, zu Diskussionen – auch innerhalb unserer Fraktion. Das bereichert uns inhaltlich und menschlich. Wer daran teilhaben will: 2026 sind Landratswahlen. Kandidiere mit uns, debattiere mit, wir freuen uns!»
«Das öV-Gesetz ermöglicht allen Menschen und Dörfern im Kanton Glarus den Zugang zu nachhaltiger Mobilität. Das Angebot (die konkreten Linien) handelt der Landrat im öV-Konzept aus. Mit Ausnahme von Braunwald: Artikel 5 regelt die Erschliessung mit der Standseilbahn und ab deren Bergstation bis zum Hüttenberg ohne festgelegtes Verkehrsmittel. Aus demokratischer Sicht ist es richtig, diesen Artikel, wie versprochen, der Landsgemeinde vorzulegen. Zentral für alle Glarner Dörfer sind der grundsätzliche Halbstundentakt in Artikel 1 und die flexible Handhabung mit dem Kostendeckungsgrad in Artikel 11 – sie ermöglichen den Haushalten ein autofreies Leben und den Firmen eine Entlastung der Strassen.»
«Die 'Slow Sundays' machen das Klöntal an einigen Sonntagen nur für den Langsamverkehr zugänglich. Künftig soll es drei autofreie Sonntage geben. Die Verkehrsberuhigung gilt jeweils von 7 bis 19 Uhr. Das verbessert die Erholungsqualität im Klöntal nachhaltig und setzt den Auftrag der Landsgemeinde wirksam um. In der vorliegenden Version würde die Strasse über den Sackberg bis zur Schwammhöhe nicht gesperrt – das ist unverständlich. Will man die Zufahrt zum Klöntal wirklich sperren, muss das auch für die Sackbergstrasse gelten. Um diesen konzeptionellen Fehler zu korrigieren, unterstützt die SP den entsprechenden Antrag.»
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