In Folge 15 kriegte der Eisbär weiche Knie. Er wagte sich trotzdem, den Hübschen an der Hand zu nehmen und ihn aufs Glatteis zu führen.
Die beiden verliessen aufgekratzt und durchgeschwitzt die Disco-Höhle und stiessen im Freien auf klirrende Kälte. Sie zottelten auf dem Glatteis nebeneinander her und begannen zu streiten, als sie über den vielversprechenden Augenblick sprachen.
Der eine sei für den anderen nie da, wenn er ihn brauche und überhaupt hätten Eis- und Braunbären sowieso nichts miteinander am Hut, warfen sich die beiden gegenseitig vor. «Ich gehe jetzt zu meiner Familie zurück», brüllte der Eisbär schliesslich und doppelte gespielt selbstbewusst nach: «Du kannst mitkommen oder zu deiner eigenen gehen.»

In der Hitze des Gefechts krachte es unter ihren Tatzen und plötzlich war das Eis gebrochen. Die beiden trieben auf separaten Schollen auseinander. «Darüber reden wir dann mal noch», brüllte der Hübsche dem Eisbären nach. «Wann?» Wollte der Eisbär wissen, hörte die Antwort von weither nur noch schwach und musste sie selbst interpretieren: «Vielleicht wenn das Eis wieder gefroren ist, mach's gut!»
«Eigentlich wollte ich doch nur noch ein bisschen mit dir zusammensein», brüllte der Eisbär verzweifelt in die kalte Nacht. Doch es kam nichts mehr beim Hübschen an und noch weniger von ihm zurück. Die Schollen trieben für sich allein in andere Richtungen.
Der Eisbär wollte weinen, damit die Tränen gefrieren und sich die Schollen wieder miteinander verbinden. So sehr er sich mit seinen gefrorenen Wasseraugen aber anstrengte, gelang es ihm nicht, auch nur eine einzige Träne zu weinen. Und dann begann sein Herz stärker als das Eis zu brechen.
«Als Gegenentwurf zum alten, weissen Mann positioniert sich der moderne Mann: Er zeigt dosiert Gefühl, fördert Frauen, hat eine Hautpflegecreme. Diese Männer sind selbstreflektiert – und da hört es dann auch schon auf. Sie haben eine sehr dunkle Seite: Selbstreflexion ist eine Superkraft für den modernen Mann. Der reflektierende Mann muss keine Verantwortung übernehmen, denn er reflektiert ja.» aus der Kolumne «Der moderne Mann – aussen weich und innen ganz leer» von Franziska Zimmerer, Welt Online am 2. Januar 2025
Die Eisscholle geriet mit einem Ruck ins Wanken und an Eisbärs Nacken wurde es warm. «Was treibst du da?» fragte Dr. Wolf, die zu ihm gesprungen war und ihm eine Decke über die Schultern legte. «Du bist ja ganz tiefgefroren. Dich kann man aber auch nicht alleine lassen!» Das sei es ja genau, brüllte der Eisbär und fragte, woher sie plötzlich komme. «Ich habe dich vom Ufer aus gesehen, als ich mit den anderen auf dem Heimweg war und wir uns fragten, wo du eigentlich geblieben bist.»
Die beiden nahmen einen Satz und waren an Land. Als die Fähe wissen wollte, was los sei, kullerten dem Eisbären die Tränen aus den aufgetauten Wasseraugen über das Gesicht: «Ich habe den Hübschen wieder verloren. Weil wir gestritten haben, ist das Eis gebrochen. Und jetzt treibt er da draussen umher.» Der komme schon wieder und es brauche einfach etwas Zeit dafür.
«Du», schluchzte der Eisbär und betrachtete Dr. Wolfs Silhoutte im leuchtenden Vollmond: «Warum bist du eigentlich immer da, wenn ich dich brauche?»
Dr. Wolf antwortet irgendwann an dieser Stelle in Folge 17. Was vorher geschah, steht in den bisherigen Episoden geschrieben.
Comments