Hört ihr die Signale?
- Werner, Fee, Eisbär, Dr. Wolf und die Persianer
- vor 2 Tagen
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Aktualisiert: vor 2 Tagen
Mein Tag der Arbeit hat viele Facetten. Einigen Signalen, die ich heute höre, gebe ich mich für eine Weile hin.
Letztes Jahr widmete ich keine Neuigkeiten im Mai dem Tag der Arbeit, der linken Ikone Rosa Luxemburg und der Herkunft des Wortes «Arbeit». Dieses Jahr erinnere ich mich an meinen kürzlichen Ausflug nach Chemnitz, das zwischendurch Karl-Marx-Stadt hiess.
Etwas enttäuschend war zu erfahren, dass Karl Max nie in Chemnitz war, und die Stadt am 10. Mai 1953 nicht nach demokratischer Manier umbenannt wurde. Überhaupt war es ein seltsamer Ausflug in eine der europäischen Kulturhauptstädte 2025 – seltsam und genau deshalb nach meinem Gusto.
Es hatte kaum Menschen und sogar kaum Autos auf den Strassen. Dafür waren die Velobügel liebevoll, als ob sie nicht erfrieren sollten, mit Wolle eingestrickt.
Allerdings fuhr ich weder wegen Karl Marx und der Velobügel noch wegen des Kulturhauptstadt-Daseins nach Chemnitz. Der Grund war meine Brieffreundin, die ich als Teenager in Karl-Marx-Stadt hatte. Leider finde ich die Briefe nicht mehr. Ich glaube, sie hiess Renate.
Die Erinnerung an diese Brieffreundschaft macht mir bewusst, wie lange mich Ostdeutschland bereits interessiert. Schon als Teenager fragte ich mich, wie eine dermassen gute Idee wie der Sozialismus so schlecht funktionieren kann.
Auch heute bin ich noch überzeugt, dass er funktionieren könnte, wenn bloss der Mensch diese eine Eigenschaft nicht hätte. Alle Revolutionen scheinen gemeinsam zu haben, dass sie umgehend vom menschlichen Trieb nach Macht ausgenutzt werden.
Das ist auch bei der Jesusrevolution nicht anders. Deshalb wiederholt sie sich in der christlichen Tradition im Jahreszyklus. Und weil ein Teil der Menschen durch irgendein Opium fürs Volk verwöhnt ist und andere nach einer, zwei, drei oder mehr Revolutionen müde sind, übernehmen die Machtgetriebenen das Ruder und machen alle anderen zu Ohnmächtigen.
Vielleicht geben es die Menschen irgendwann für immer auf, die Signale zum letzten Gefecht zu hören, weil es wegen des menschlichen Machttriebs nie das letzte Gefecht sein kann. Doch auch wenn es unglaublich anstrengend ist, die Kraft zum dauernden Kampf für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit aufzubringen: Für ein gutes Leben ist er enorm wichtig.
Der Tag der Arbeit hat für mich noch eine weitere Bedeutung. Es ist der Geburtstag eines wichtigen Menschen in meinem Leben, dem ich heute Morgen schreibend gratuliert habe. Nicht dass ich seinen Namen, wie den von Renate, auch noch vergesse. Seine Briefe habe ich jedenfalls noch.
Seinen Namen verbinde ich mit Erfurt und Gera, einem Song von Nina Hagen. Er spielt in der Zeit und Gegend meiner jugendlichen Brieffreundschaft. Ein DDR-Bürger flieht über die Transitstrasse – ähnlich wie über die Berliner Mauer – und wird dort überfahren. So verstehe ich es jedenfalls. Auch Nina Hagen floh mit ihrer Mutter aus der DDR. Sie folgten dem ausgebürgerten Wolf Biermann.
Apropos Flucht: Rosa Luxemburg kam im polnischen Lublin zur Welt. Damals gehörte die Stadt zum russischen Kaiserreich. 1888 floh Luxemburg vor der Zarenpolizei. Ein Jahr später zog sie nach Zürich. Damals durften im deutschprachigen Raum nur an der dortigen Univerisät Frauen und Männer gleichberechtigt studieren.
Zürich war zu ihrer Zeit attraktiv für politisch verfolgte Sozialist:innen. Sie fand rasch Kontakt zu deutschen, polnischen und russischen Emigrantenvereinen, die vom Schweizer Exil aus den revolutionären Sturz ihrer Regierungen vorzubereiten versuchten. Noch vor dem ersten Weltkrieg brach Rosa Luxemburg mit Lenin.
Und heute so? Gerade unterstützen Serb:innen aus der ganzen Schweiz die Menschen in ihrem Heimatland beim friedlichen Protest gegen die autokratische Regierung unter Präsident Aleksandar Vucic.
Auch die SP Schweiz hat eine Resolution dazu verfasst. Die Bewegung wird als Blaupause und Hoffnungsträgerin für andere nötige Revolutionen gehandelt.
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