top of page

In Eintracht

Autorenbild: Gastautor:inGastautor:in

Ein eher altmodisches Wort erinnert mich an eine Beiz, in der ich nie war. Heute ist es der Steigbügel für einen Gastbeitrag von Linus.


Eintracht – lateinisch concordia – ist ein friedlicher Zusammenhalt innerhalb einer Gruppe. Das Wort ist Namensbestandteil von Sport- oder Musikvereinen, Versicherungsgesellschaften oder Restaurants.


In einem solchen Restaurant, allerdings mit einem anderen Namen, sassen wir neulich friedlich zusammen und sprachen über einen hochoffiziellen Trachtenverein und dessen Kostüm, dem es an den Kragen geht – das Tenue A.


Durch Eintracht wächst das Kleine, durch Zwietracht zerfällt das Grösste. Gaius Crispus Sallust (86-34), römischer Historiker

Während Linus uns bei einem Cordon Bleu mit Pomme Frites am Tisch in der Dorfbeiz vom Nutzen des Tenue A überzeugte, überzeugte ich ihn davon, eine Kolumne darüber zu schreiben.


Wie der «Ausgänger» der Schweizer Armee die Swissness prägt(e)


von Linus (24) aus Ennenda


Sie haben es wohl beiläufig wahrgenommen, dass die Schweizer Armee aufgrund von Sparmassnahmen das Tenue A, wie der graue «Ausgänger» im Milizjargon heisst, abschafft. Die Ersparnisse von immerhin fünf Millionen Franken pro Jahr kommen der Verteidigungsfähigkeit der Schweizer Armee zugute. Der Sparschritt wird trotz zusätzlicher Milliarden für die Armee kaum kritisiert, da das Tenue A als nicht stylisch und unbequem angesehen wird, als überflüssig und nicht relevant. Das Tenue A, das sich vor allem durch die – Überraschung: graue – Krawatte auszeichnet, welche sowohl von Frauen, wie auch von Männern getragen werden sollte, wenn man in den Ausgang geht oder vom Dienst zurückkehrt, gilt auch als Gala-Dress der Offiziere. Ich sage bewusst «getragen werden sollte», denn es wird seit unbekannter Zeit nicht mehr konsequent getragen, manchmal sogar ohne Krawatte, was das Dienstreglement der Armee gar nicht zulässt, eigentlich. So könnte man meinen, der Verzicht auf den Grauen ist ein längst fälliger Schritt. Daneben gibt es schliesslich noch zwei weitere Tenues: B und C. Tenue B ist quasi der schöne Tarnanzug und das Tenue C der Tarnanzug zum Arbeiten. Tenue B wurde von Bundesrat Ueli Maurer ohnehin als «rassiger» eingestuft als das Repräsentationstenue mit Krawatte. Fortan soll das Tenue A den Offizieren und der Militärmusik vorbehalten sein.


Nach dieser kurzen Einführung komme ich auf den Sinn und Zweck der Armee zu sprechen. In der Bundesverfassung steht, dass die Schweiz eine Armee hat. Dies zur Sicherung der Unabhängigkeit und zum Schutz vor Angriffen. Real bedroht war die Schweiz zuletzt 1939 bis 1945. Seither spielen auch marketingtechnisch immer mehr andere Aufgaben eine Rolle bei der Rechtfertigung der Armee. Nichtsdestotrotz hat die Schweiz als Land mit Armee, allen Kritikern zum Trotz, und egal wie gut oder schlecht man sie findet, real drei Vorteile:


Erstens: Die in der ganzen Schweiz zusammengetrommelten, tauglichen jungen Erwachsenen müssen 18 Wochen ihren gewohnten Standard aufgeben. In solch wohlstandsüberwältigenden Zeiten wie heute keine schlechte Schulung. Zweitens: Alle werden zusammengemischt, damit auch alle Sprach- und Berufsgruppen. Das führt dazu, dass man die sprachliche Vielfältigkeit der Schweiz erlebt und weiter, dass man auch mit Menschen arbeiten muss, die man sonst nie treffen würde, sei es aufgrund der Interessen, des Berufsfeldes oder gar der politischen Einstellung. Das schweisst zusammen und ist ein wichtiger Bestandteil des sozialen Friedens in der Schweiz. Drittens: Der Rekrut lernt, sich mehr zuzutrauen und zu dienen. Und genau das ist die eigentliche Rolle eines Soldaten: Diener des Staates zu sein. Dabei hat der Soldat noch keine einzige Patrone abgeschossen und noch in keinem Krieg gekämpft.


Die Armee ist unsere Armee. Als Militärmusiker habe ich gelernt, wie wichtig dieses Dienen ist. Es wurde uns beigebracht, meist hatten wir das Tenue A an, dass wir vorbildlich und hilfsbereit sein sollen. Auch an Bahnhöfen kamen beispielsweise Touristen und Ausländer gelegentlich auf mich zu. Vielleicht haben Sie erkannt, dass ich von der Armee bin und hofften, von mir eine Auskunft zu bekommen. Für uns AdAs, die wir gut gekleidet waren und dem Schweizer Staat dienten, geziemte es sich dann, die Personen persönlich auf ihr Gleis zu begleiten. Somit wurde auch etwas für das Image der Schweiz getan, und natürlich für das Image der Armee. Die Schweizer Armee ist also vor allem für ihre Präsenz wichtig. Es ist gut, dass es sie gibt.


Das Tenue A gehört zum Erscheinungsbild der Armee, quasi zur Swissness einer gut gekleideten, dienenden und hilfsbereiten Armee. Meine Meinung ist, und das sage ich ganz offen: Man kann unsere Armee nicht preisen als eine Institution, die diese drei obigen Punkte verkörpert, aber der Würde keine Bedeutung zumisst. Eine Qualität, die der Armeeführung in ihrer Strategie wohl weniger eine Rolle spielt. Wenn wir uns schon eine Armee leisten, oder wie viele Gegnerinnen lieblich sagen, uns einen Trachtenverein finanzieren, dann muss er auch mit einem korrekten und einheitlichen Erscheinungsbild daherkommen. Jetzt, wo das Tenue A verschwindet, dürfte die gemeine Vorstellung einer dienenden und hilfsbereiten Armee in den Hintergrund treten. Nicht dass man nicht auch im Tenue B hilfsbereit sein könnte. Doch so wenig wie sich unsere Armeeführung der Folgen dieses vermeintlich lukrativen Sparbeschlusses bewusst ist – ich erinnere, wie sie den «Ausgänger» in den letzten Jahren verkümmern liess – so wenig dürfte ihnen das Bild des freundlichen, im grauen Anzug daherkommenden, hilfsbereiten Rekruten eine Rolle spielen. Der Militärdienst hat eine gewisse Würde inne und es ist eigentlich eine Ehre, dem Land zu dienen. So erging es mir im Dienst und das hat mich die RS hindurch getragen. Das strahlt dieser Anzug auch aus. Soll nun diese Würde nur noch von der Elite repräsentiert werden?



Army of Lovers


von Werner (51) aus Ennenda


Womit mich Linus am Stammtisch überzeugt hat? In meiner Erinnerung hört sich das so an: Wenn die Schweizer Armee etwas Konkretes tun kann, dann kann sie mit ihren Angehörigen durch Repräsentation ein Gefühl des Zusammenhalts und schlussendlich den Frieden in unserem Land – also die Eintracht – fördern. Dafür lohnen sich fünf Millionen Franken weit mehr, als für in die Luft geschleuderte Munition.


Eine andere Sicht auf die Armee habe ich neulich auch erhalten, als ich auf die Organisation Queer Officers Switzerland gestossen bin. Sie setzt sich für Gleichbehandlung im Militärdienst ein, unabhängig von Geschlecht, ethnischer oder nationaler Zugehörigkeit, Sprache, Alter, Religion, sexueller Orientierung, politischer oder sonstiger Anschauung, sozialer Herkunft, Lebensstil oder Behinderung.


Als ich Rekrut war, wusste ich nichts von einer solchen Organisation. Dabei war die Standardreaktion nach meinem Aushebungsresultat sehr vielversprechend: «Ach, du kommst zur Sanität, der Schwulentruppe!» Leider merkte ich in der RS im Tessin nichts davon – mein Coming-out sass noch auf der Wartebank und fürchtete sich davor, mit mir gekreuzigt zu werden.



Ähnliche Beiträge

Alle ansehen

Comments


glitter_blau.png
bottom of page