So genau weiss ich es zwar nicht. Aber inzwischen muss ich sicher zwölf Mal an einem Glarner Stadtopenair gewesen sein. Dass so gut wie jedes Jahr ein solches Musikfest im Hauptort des kleinen Kantons Glarus stattfindet, ist keine Selbstverständlichkeit.
Dieses Jahr fand das Sound of Glarus zum ersten Mal im Juni statt. Wäre die Wettersicherheit der Grund für die Vorverschiebung gewesen, wäre der Versuch glatt ins Wasser gefallen.
Ein Auge auf den Nebenschauplatz
Gut also, war nicht das Wetter, sondern das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest (ESAF) der Grund für die Verschiebung. Es findet nächstes Jahr am tradtionellen Stadtopenair-Wochenende statt. Dieses darf vom 29. bis 31. August 2024 nicht ins Wasser fallen, schliesslich wird es nachhaltig wirksam organisiert – das Risiko beschränkt sich laut Regierungsrat auf zwei Millionen Franken. Die Krux daran: Versprechen sind zum Brechen da.
2025 findet auch der Eurovision Song Contest (ESC) statt – zwar nicht in Glarus, aber vielleicht in einer anderen Schweizer Industrieregion. Nemo aus Biel ist queer und hat den grössten Musikwettbewerb der Welt am 12. Mai 2024 für die Schweiz gewonnen. Gegen die Durchführung in Biel-Bern haben die SVP und die EDU das Referendum ergriffen. In Glarus war die SP beim ESAF etwas konstruktiver und reichte eine Interpellation mit Fragen ein, auf welche die Glarner:innen Antworten verdienen.
Müsste ich wählen, würde ich mich 2025 für den Besuch des ESC entscheiden und auf den Besuch des ESAF verzichten. Es sei denn, ich werde doch noch zum 13. Ehrenherr ernannt und darf in eine der hübschen Trachten steigen. Das Eichenlaub würde ich am liebsten dem queeren Curdin Orlik aufsetzen für den Mut und die Kraft seins Outings.
Ein Ohr auf die Nebenbühne
Nicht nur das Wetter war im Juni gleich (verregnet), wie im August. Auch unter den Künstler:innen am Sound of Glarus fand ich monatsunabhängig wieder meine persönlichen Perlen. Meine vier Perlen-Bands stehen auch für die musikalische Vielfalt am Glarner Stadtopenair. Dieser Spagat gelingt den Veranstaltern immer wieder auf wundersame Weise.
Zugegeben: Ich habe eine Schwäche für die kleine Bühne. Erst recht, seit sie hinter dem Zaunschulhaus steht. Und gleich nochmals zugegeben: Dieses Jahr machte der Regen auch der Gemütlichkeit im Village einen Strich durch die Rechnung – ausser mensch erhaschte einen mehr oder weniger trockenen, sicher aber lauschigen Platz in einem der Strandkörbe.
Die Strandkörbe passten auch ziemlich gut zur Hambugerin Antje Schomaker. Von Hamburg aus ist die Ostsee einen Katzensprung entfernt, wo Strandkörbe stehen, so weit das Auge reicht. Soweit mein Auge bei Antjes Auftritt reichte, brachte sie mit ihrem friedlich-kämpferischen Pop einige Beine zum Tanzen. Mir hat es ihr Lied «Die Zeit heilt einen Scheiss» besonders angetan: ein wunderbares Liebesschmerzlied.
Am gleichen Abend spielte eine Basler Band, die mich schon lange im Voraus neugierig machte. La Neferas kraftvolle Musik war für mich zieimlich ungewohnt, faszinierte mich aber vom ersten bis zum letzten Ton. Sie und ihre Band verweben einen Stil mit Einflüssen aus der Dominikanischen Republik und der Schweiz miteinander. Der Song «C'est ça» war quasi die inhaltliche Fortsetzung meines vorherigen Lieblingslieds.
Auch auf Sub Ice freute ich mich schon im Voraus besonders. Nicht zuletzt, weil die drei jungen Männer die einzige Glarner Band am diesjährigen Sound of Glarus waren. Auch ihr Auftritt war kraftvoll und erinnerte mich angenehm an die Zeit, als ich selbst so jung war, wie die drei auf der Bühne: Tim, Linus und Chris spielen Grunge und Alternative Rock – und zwar genauso, wie er sein soll, zum Beispiel mit «Tell me who I am».
Ganz und gar nichts sagten mir The Zurponics bis am 22. Juni dieses Jahres. Schon beim Anpirschen war klar: da geht was! Die drei Männer in Rüschenhemden waren der Volltreffer mit ihren Soul Vibes aus den Sechziger- und Siebzigerjahren. Sie brachten das Publikum zum fröhlichen Kochen, Tanzen und und Mitsingen. Zum Schluss lieferten sie sogar einen extra Glarus-Song ab. Was von den drei Unerschrockenen bleibt: Gerne wieder – jederzeit.
Quelle: Dieser Beitrag ist ursprünglich als Kulturblog-Beitrag in der Glarner Agenda erschienen. Was darin keinen Platz hatte, ist in diesem Blog-Beitrag kursiv geschrieben.
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