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Same same but different

Der Benzinpreis macht mal wieder Schlagzeilen. Er «explodiert» laut Blick-Headline. Und es sei unfair, wie das alles wieder auf dem Buckel der kleinen Leute ausgetragen werde, reklamieren Kommentierende drüben auf Facebook. Auch wenn es Social Media damals noch nicht gab: Ein halbes Jahrhundert nach der Ölkrise hört sich das alles ziemlich gleich an.



Auch während der Ölkrise der 1970er-Jahre stiegen die Benzinpreise. Was die Menschen in der Schweiz seit 1975 trotz offensichtlichem Alarm daraus machten: Sie haben die Anzahl Motorfahrzeuge verdreifacht. Ja: Auch die Bevölkerung ist in dieser Zeit um 25 Prozent gewachsen. Doch ein Viertel mehr Menschen aus Fleisch und Blut ist so ziemlich viel weniger, als dreimal so viele Maschinen aus Blech und Kunststoff.


Der Mehrverkehr ist in erster Linie auf das gesteigerte Fahrverhalten zurückzuführen und nicht auf die Bevölkerungszunahme. Zu allem Überfluss fahren die meisten Motorfahrzeuge auch 50 Jahre nach der Ölkrise noch mit Verbrennern. Gerade mal 1,5 Prozent der Personenwagen in der Schweiz sind reine Elektroautos. Eine Technologie, die schon bei der Erfindung des Autos im 19. Jahrhundert und sowieso in den 1970ern bekannt war.


«Schock an den Zapfsäulen: Die Preise von Benzin und Diesel explodieren, die Stimmung bei den Automobilisten ist aufgeheizt. Der Grund: Die Spritanbieter drehen zurzeit schweizweit an den Preisschrauben.»


Allein dieser Auszug aus dem Blick-Artikel vom 22. Oktober 2021 offenbart, wie verfehlt das gegnerische Argument zum CO₂-Gesetz mit der Benzinpreiserhöhung war. Es hätte sich um einen Spielraum als Empfehlung gehandelt, den die Anbieter hätten geltend machen können. Zugegeben: Für den Schaden, den Anbieter mit ihren Produkten anrichten, sollten sie tatsächlich nicht auch noch Geld verlangen dürfen.


Die aktuelle Preisschrauberei zeigt aber deutlich, dass eben nicht ein Gesetz die Benzin- und Dieselpreise erhöht. Die Treibstoffanbieter machen das ganz von alleine. Und sie tun es, ganz ohne mit dem eingenommenen Geld Klimaschutzmassnahmen zu treffen.



Offenbar ist es für die Konsumenten einfacher, gegen Klimaschutz zu sein, als sich von der allmächtigen Öl- und Autoindustrie zu emanzipieren. Und das, obwohl das Auto das Symbol schlechthin für ein ausbeuterisches und zerstörerisches System ist. Ein System und ein Produkt, von dem wenige massiv profitieren und viele extrem abhängig sind.


Erklären kann ich mir das so: Weil es sich beim Autofahren um eine Gewohnheit mit Suchtcharakter handelt, wiegt das Ungerechte und Undemokratische daran weniger, als die Verzweiflung beim Gedanken, autofrei zu leben.


Vielleicht führt Weg über die Zapfsäule dazu, dass sich mehr Menschen gesellschaftlich und politisch engagieren, statt ihr Leben dem Motorfahrzeug zu opfern. Vielleicht klappt es nach den verpassten 1970er Jahren heute, vermutlich nicht.


«Die Nachfrage nach Rohöl ist enorm. Das treibt die Preise an den Zapfsäulen in die Höhe.»


Auch dieser Auszug aus dem gleichen Blick-Artikel zeigt, wie absurd das Ganze ist. Die Nachfrage nach Rohöl ist selbst im Zeitalter der anerkannten Klimakrise enorm. Vor 50 Jahren ging es um Ölknappheit. Heute wissen wir, es hatte offenbar bis heute noch genug davon. Mit dem heutigen Wissen ist Öl aber tatsächlich knapp, weil die Nutzung fossiler Energie unsere Lebensgrundlagen zerstört. Ergo ist Öl keine Ressource und sein Bestand eigentlich auf Null.



Was aber können die kleinen Leute tun, ausser ein CO₂-Gesetz ablehnen? Zum Beispiel zu Fuss auf die Strasse gehen für mehr Klimagerechtigkeit, wovon sie bei der Benzinpreiserhöhung direkt betroffen sind. Und zwar gemeinsam mit den anderen kleinen Leuten, anstatt sich weiter gegenseitig aufzuhetzen und diesem Kalkül immer wieder von Neuem auf den Leim zu gehen.


«What do we want? Climate Justice! When do we want it? Now!»


Übrigens: Weil die Nachfrage enorm ist, steigt der Preis. Aus dem Wirtschafts-Einmaleins sollte dadurch die bezogene Menge sinken. Natürlich ist es komplexer und doch: Könnte eine gute Sache sein, so eine Benzinpreiserhöhung, wenn sie zu weniger Treibhausgasen führt.



Und ist, so gesehen, nichts anderes als eine Lenkungsabgabe, von deren Einnahmen aber nur die Treibstoffanbieter profitieren. Im Gegensatz zum abgeschossenen CO₂-Gesetz, in dem leider noch keine echte Lenkungsabgabe auf fossilen Treibstoffen enthalten war, bei der die Bevölkerung aber wenigstens bei Brennstoffabgaben von einer höheren Pro-Kopf-Rückvergütung profitiert hätte.


«Wir sind mit den Preisen wieder da, wo wir schon vor drei bis vier Jahren waren.»


Und was sagt dieser Auszug aus dem gleichen Blick-Artikel? Die Preise sind offenbar in den letzten vier Jahren gesunken. So schlimm kann die Preisexplosion gar nicht sein – schade eigentlich. Und wenn es doch eine Explosion ist: Das E-Auto wird übrigens nicht die Lösung sein. Weder um unsere Abhängigkeit zu verlieren, noch um das Klima zu schützen und schon gar nicht, um das polytoxische Verkehrsproblem zu lösen.



Im Gegenteil: Das Auto, egal mit welchem Antrieb, ist das Problem selbst. Seine elektrische Version ist nichts anderes als ein inspirationsfreier und wenig kreativer Versuch der Autoindustrie, die Abhängigkeit von ihr bis zum Kollaps weiterzuziehen.


Schliesslich ist sowohl der Autoindustrie als auch den Ölgiganten klar, wozu die Ausbeutung der Ressourcen und die Abhängigkeit der Menschen führt. Sie ist vermutlich vom Kollaps noch überzeugter, als mancher Klimaschützer. Bis dahin geht es deshalb vor allem um Eines: Die Kuh zu melken, bis sie tot umfällt und das System mit ihr zusammenbricht.


Business as usual also – oder eben same same but different. Der Ausdruck stammt aus dem Thinglischen. Das ist das Englisch der thailändischen Muttersprachler:innen. Er ist weltweit verbreitet, kommt auch in Liedern oder auf T-Shirts vor und ist der Titel eines Kinofilms.



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