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Stoff am Arsch

  • Autorenbild: Werner
    Werner
  • vor 4 Tagen
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 6 Stunden

Eigentlich ist er Plural. Gleichzeitig ist die Geschichte der Hanky Codes so einzigartig wie der Ort, wo ich gerade mal wieder besonders gerne lebe.


Bald steht die erste Glarus Pride an. In diesen Rahmen gehören auch geschichtliche Themen. An der Stadtführung, die bereits im Vorfeld ausgebucht ist, geht es etwa um den Glarner Vorkämpfer der gleichgeschlechtlichen Liebe, Heinrich Hössli, oder den bisexuellen Schriftsteller Thomas Mann. Auch ein queerer Blick auf das Kunsthaus und das «Glarner Tüechli» gehören dazu.



Das «Glarner Tüechli» ist nicht von der stolzen Geschichte des Bergkantons wegzudenken. Das Sinnbild für die Glarner Textilindustrie des 18. und 19. Jahrhunderts steht auch für den «Hanky Code» – ein Kommunikationsmittel in der Schwulen- und Lederszene aus einer Zeit vor Dating Apps wie Grindr, Gayromeo oder Scruff. Beim Farbkodierungssystem trägt eine Person ein Tuch in einer bestimmten Farbe in seiner hinteren Hosentasche, um andere über ihre sexuellen Vorlieben zu informieren. «Hanky» ist die Kurzform des englischen Worts Handkerchief und bedeutet Taschentuch.


«Ladyfag and Opening Ceremony Release an Exclusive Capsule Collection of Hanky Code Bandanas and T-Shirts for Pride Month» VOGUE | Photos: Courtesy of Opening Ceremony


Der «Hanky Code» sei in den frühen Siebzigern an der amerikanische Westküste entstanden, sagt die Legende. Bars, Klubs und Dungeons tauchen überall auf. Die halbwegs liberale Haltung lässt diese Klubs in Grosstädten vorläufig florieren. AIDS hat die Szene noch nicht getroffen. In diesem Setting kommt das «Flagging» auf. Der Zweck: Möglichst schnell herausfiltern können, wer zu einem passt. Das Mittel: Farbige Tücher, sogenannte Bandanas, ungefähr das, was wir als Glarner Tüechli kennen.


Und so funktionierts: Wer als Top an einer Aktivität Interesse hat, lässt das farbige Tuch aus seiner linken Hintern-Hosentasche hängen. Wer als Bottom an einer Aktivität Interesse hat, aus seiner rechten. Die Farbe ist der Indikator, um welchen Kink es geht, also um welche sexuelle Vorliebe.


Über die Tücher hinaus haben Erotikläden und Bars auch Anleitungen abgegeben. So war das Ganze von Bar zu Bar oder von Szene zu Szene ungefähr einheitlich und übersichtlich, damit die Kommunikation über die Vorlieben halbwegs funktionierte. Wer gerade auf Verschiedenes Lust hatte, schob sich entsprechend mehrere «Glarner Tüechli» in die Hinterntasche.



Damals wie heute hat eine Vorliebe weder bedeutet, dass man das mit jeder beliebigen Person machen will, noch hat es die Kommunikation darüber, was man denn genau will, ersetzt. Alleine weil das Licht an solchen Orten nicht immer so grell war, dass die Farben problemlos unterscheidbar waren.


Heute sieht man an Umzügen noch Bandanas in Gesässtaschen. Manchmal findet man an Partys farbige Armbänder mit einer dazugehörigen Übersetzung. Bei Fetischkleidung tauchen vermehrt Kleidungsstücke mit gut sichtbaren farbigen Streifen auf. Das ist eine Fortführung der Farb-Code-Tradition des «Flagging».



Das Glarner Tüechli ist ausserdem zum Symbol der Unangepasstheit geworden. In die quadratischen Tücher scheint der Geist der Rebellion eingewoben. Das Muster ist so bekannt, dass nicht mehr nur Tücher damit bedruckt werden. Stars tragen kurze Röcke oder körperbetonte Tops im Glarner-Tüechli-Look.


Für die Glarus Pride 2025 hat sich das Organisationskomitee ein spezielles Tüechli einfallen lassen. Es ist in einer äusserst limitieren Auflage erhältlich und wird je nach Begehren am kommenden Samstag später nachgedruckt.


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Am Samstag, 5. Juli 2025, gibt's die erste Glarus Pride im und um den Güterschuppen beim Bahnhof und Kunsthaus Glarus mit queerer Stadtführung, Lesung aus «Queer Kids», Chorkonzert mit schmaz und Dragshow mit Mono Gamie. Willst du Helfer:in sein? Dann melde dich über das Kontaktformular und dein Einsatz wird eingefädelt.



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