Heute ist der 239. Geburtstag von Heinrich Hössli. Worum geht es bei dem Glarner, der sich mit «Eros» im Jahr 1836 als erster Autor im deutschsprachigen Raum überhaupt stark gemacht hat für die Liebe unter Männern?
Eros ist in der griechischen Mythologie der Gott der begehrlichen Liebe. In der römischen Mythologie entspricht ihm Amor, der in seiner Personifikation der erotischen Begierde auch Cupido genannt wird.
In einer dreiteiligen Artikelserie haben die Glarner Nachrichten im Vorfeld von Heinrich Hösslis heutigem Geburtstag die Geschichte um den Glarner Hutmacher aufgenommen und sie mit Berichten über die Glarner LGBTQIA Community sowie die kantonale Gleichstellungskommission in die Gegegenwart gebracht. Am Freitag kamen Leo, Jonas und ich als weisse schwule Männer aus drei Generationen zu Wort.
«Keine Liebe ist an sich Tugend oder Laster»
Schon 2014 war Heinrich Hössli ein Thema. Damals kam mit dem Buch «Keine Liebe ist an sich Tugend oder Laster» von Rolf Thalmann Hösslis Biographie heraus. Der Historiker und Buchautor Thalmann ist im Stiftungsrat der Heinich-Hössli-Stiftung und sitzt im Vorstand des Schwulenarchivs Schweiz.
Im Beitrag des Magazins Cruiser vom 10. Oktober 2014 schreibt Haymo Empl über Hösslis unglückliche Ehe: «Zu jener Zeit war es undenkbar, nicht verheiratet zu sein. Also fügte sich auch der Putzmacher und heiratete die ältere Elisabeth Grebel. Irgendwie gelang es Hössli, zwei Kinder (zu jener Zeit war eine derart geringe Kinderzahl schon beinahe skandalös) zu zeugen. Es ist dokumentiert, dass Heinrich Hössli und seine Ehefrau unglücklich waren: Sie bedauerte die 'verfehlte Gattenwahl'.»
Verbunden mit Anna Göldi
Der Hut- oder eben Putzmacher Heinrich Hössli lebte im gleichen Haus, das bis 1782 dem Schlosser Rudolf Steinmüller gehörte. Er war ein Freund von Anna Göldi, der sich während des Prozesses gegen «die letzte Hexe» erhängte. Hössli kam zwei Jahre später in dessen ehemaligem Haus zur Welt.
Rolf Thalmann sagt dazu: «Der Anna-Göldi-Prozess von 1782 war damals natürlich noch in aller Munde. Deshalb hat Hössli der Fall so sehr bewegt. Er zog seine Parallelen zu der Verfolgung der Schwulen und sagte im ersten Kapitel seines Buches voraus, dass man eines Tages auch auf die Verachtung der Männerliebe ungläubig zurückschauen werde.»
Traditionelle Glarner Einzigartigkeit
Wie Anna Göldi als «letzte Hexe» ist auch Heinrich Hössli als «Vorkämpfer der Männerliebe» eine einzigartige historische Figur für das Glarnerland. Die beiden hinterlassen einen Eindruck der damaligen Zerrissenheit einer Gesellschaft im Wandel.
Beide sind in ihrer Einzigartigkeit typisch für den Kanton Glarus, wie es auch die SRF-Nachrichtensendung «10 vor 10» vom 23. Dezember 2014 aufzeigt:
Warum Hösslis Erbe im Glarnerland nicht aktiv weitergeführt wird, keine organisierte Glarner LGBTQIA Community besteht und sich noch keine queeren Glarner:innen bei ihr gemeldet haben, kann sich Sabrina Strub im Namen der Gleichstellungskommission so erklären: «Es ist typisch für ländliche Regionen – ja nicht darüber reden und auch nichts dergleichen sehen, dann haben wir das hier auch nicht.»
Eine wichtige Geschichte
Nicht nur klassische Medien sind auf Heinrich Hössli gestossen. Im vergangenen März hat der junge und queere Video Creator «Galio» (vermutlich) aus Italien einen Beitrag über ihn veröffentlicht.
Heinrich Hösslis Geschichte und seine unerfüllte Liebe – man darf es auch unerfüllten Trieb nennen – haben für mich eine grosse und auch persönliche Botschaft: Liebe ist immer grossartig und nie falsch, auch wenn sie unerfüllt ist. Und: Auch der sexuelle Trieb hat mit Liebe zu tun. Das lässt sich zwar verdrängen, hinterlässt aber Spuren in der Seele.
Hössli tauchte beim Schreiben seines «Eros» in seine intimsten Bedürfnisse ab – ob er nun schwul war oder nicht: Er beschäftigte sich mit unerfüllter Liebe. Gut möglich, dass Hössli bei seinem Tauchgang nicht mit einschloss, dass selbst mit der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Liebe nicht ganz alle Hürden für deren Erfüllung gemeistert sind.
Selbst wenn es nicht mehr verboten ist, dass Männer Männer und Frauen Frauen lieben, selbst wenn Transpersonen und non-binäre Menschen fernab von Doppelpunkt- und Sternchendiskussionen eine akzeptierte Selbstverständlichkeit sind und selbst wenn alle Menschen queer sind: Liebe kann auch dann auf Ablehnung stossen, weil nicht immer alle Beteiligten auf Empfang sind.
Erst recht steckt hinter jeder Liebe eine wichtige Geschichte, die es zu erzählen gibt. Ob für die ganze Welt mit einem Buch oder einem Lied, oder ob mit der Ehrlichkeit zu sich selbst bei der Konfrontation von Wunsch mit Wirklichkeit.
Quante scuse ho inventato io
Pur di fare sempre a modo mio
Evitare così
Una storia importante
Non volevo così
Ritrovarmi già grande
Quanta gente ho incontrato io
Quante storie e quante compagnie
Ma ora voglio di più
Una storia importante
Quello che sei tu
Forse sei tu
Fermati un istante
Parla chiaro
Come non hai fatto mai
Dimmi un po' chi sei
Non riesco a liberarmi
Questa vita mi disturba sai
Come ti vorrei
Quanto ti vorrei (quanto ti vorrei)
Apro le mie mani per riceverti
(Ma un pensiero mi porta via)
Mentre tu le chiudi per difenderti
(La tua paura è anche un po' la mia)
Forse noi dobbiamo ancora crescere
(Forse è un alibi, è una bugia)
Se ti cerco ti nascondi
Poi ritorni
Fermati un istante
Parla chiaro
Metti gli occhi dentro i miei
Come ti vorrei
Non riesco a liberarmi
Questa vita mi disturba sai
Come ti vorrei
Quanto ti vorrei (quanto ti vorrei)
«Una storia importante» von Eros Ramazzotti
Das gegenwärtige Gedenken an Heinrich Hössli hat übrigens durchaus mit Italien zu tun. So hat Glarus eine bewegende italienische Migrations- oder eben Immigrationsgeschichte, die auch mit Heinrich Hösslis Schreibstube und Hutmacherwerkstatt zu tun hat. Diese wichtige Geschichte erzähle ich dann zu anderer Zeit an anderer Stelle – jedenfalls habe ich es vor.
Quelle: Dieser Beitrag ist inspiriert von meinem Kulturblog-Beitrag in der Glarner Agenda vom 6. August 2023.
Comments