Voll mein Thema in zwei Wochen an der Urne: Die Volksabstimmung über den Autobahnausbau. Längst nervt der versperrte Blick zu vieler Menschen durch die Windschutzscheibe.
Ob der Wunderbaum was enthält, das Menschen im Auto benebelt und zu Irrationalität treibt? Das wäre eine schöne Verschwörungstheorie. Tatsächlich macht das Auto was mit den Menschen, die es fahren.
Die direkte Mensch-Maschine-Verbindung via Gaspedal und Lenkrad verführt das Hirn zur Annahme, ein Kraftpaket zu sein, das die menschlichen Möglichkeiten um ein Vielfaches übersteigt. Die Maschine ist schliesslich hundertfache Pferde stark und tonnenweise Kilogramm schwer. Einer Waffe gleich lässt sich damit scheinbar jedes Recht für sich einholen. Zunhemend verbreitete Folgen: Selbstüberschätzung, Suchtverhalten, emotionale Abhängigkeit, Aggressivität, Vereinsamung und Empathielosigkeit bis zu Grössenwahn.
Mehr darüber erzählt das Buch Vollbremsung von Klaus Gietinger. Und mehr über die Abstimmung vom 24. November erzähle ich zusammen mit meine Vorstands- und Geschäftsleitungskolleg:innen im Namen der VCS-Sektion Glarus und der SP Kanton Glarus.
Mehr Effizienz statt Milliarden für Autobahnen
Am 24. November bestimmt die Glarner Stimmbevölkerung über den grössten Autobahn-Ausbau in der Schweiz seit Jahren mit. Weil dadurch der Strassenverkehr landesweit noch mehr wächst, belastet die Vorlage auch die ohnehin schon strapazierten Glarner Strassen. Die VCS-Sektion Glarus und weitere lokale Organisationen sprechen sich deshalb für ein Nein zum Autobahnausbau aus und setzen sich für die Verkehrswende im Glarnerland ein.
Quelle: Medienmitteilung VCS Sektion Glarus, 25.10.2024
Eine breit abgestützte Allianz aus gut 50 Organisationen, Verbänden und Parteien engagiert sich schweizweit gegen die Vorlage. Das Glarner Nein-Komitee besteht aus Vertreterinnen und Vertretern der regionalen Organisationen von VCS (Werner Kälin), WWF (Adriana Oswald), Pro Natura (Barbara Fierz), Birdlife (Martin Stützle), Ärzte für den Umweltschutz (Ueli Nägeli) sowie des Pendlervereins Glarus (Priska Müller Wahl), der Grünen (Ludovic Howald), der SP (Sabine Steinmann) und der Grünliberalen (Nadine Landolt). Zudem sind ein Bio-Bergbauer (Richi Bamert) und das Netzwerks «Glarus zukünftig mobil» (Caroline Lüscher-Müller) im Glarner Nein-Komitee vertreten. Das Netzwerk organisiert im Rahmen eines nationalen Aktionstags am 2. November ein Programm in Netstal.
Immer mehr Menschen sagen Nein
Laut SRG-Umfrage ist die Zustimmung für den Autobahnausbau auf 51 Prozent gesunken. «Das zeigt, dass die Aufklärung Früchte trägt», sagt VCS-Sektionspräsident Werner Kälin und betont: «Mal ehrlich – wir wissen, dass mehr Strassen zu mehr Verkehr führen. Nicht die Anzahl Spuren, sondern die Knoten bestimmen, ob sich ein Verkehrssystem hält oder nicht. Bauen wir also mehr Strassen, produzieren wir auch mehr Stau. Im Kleinen zeigt sich das an den Folgen der neuen Querspange inklusive Kreisel in Netstal.»
Der Ökonom ist davon überzeugt, dass es nicht mehr Strassen, aber eine effizientere Nutzung der bestehenden Infrastruktur brauche. Seine Vorstandskollegin und Präsidentin des Pendlerverein Glarus, Priska Müller Wahl, ergänzt: «Wir müssen endlich beginnen, an die Mobilität der Zukunft zu denken, statt alte Ansätze zu fördern, an deren fatalen Folgen wir heute leiden – sei es im Stau, als Unternehmen mit massiven Zeitverlusten oder als Anwohnende durch Lärm und Luftverschmutzung.» Teil der Lösung sei der ÖV, sagt Müller Wahl, deren Verein am 29. Oktober den Glarner ÖV-Gipfel organisiert.
Zukunftsbilder für die Glarner Verkehrswende
Im Rahmen des Aktionstags für ein Nein zum masslosen Autobahnausbau hat das Netzwerk «Glarus zukünftig mobil» ein kleines, aber feines Programm in Netstal – dem Epizentrum des Glarner Strassenverkehrsproblems – auf die Beine und Räder gestellt. Das Fazit: Die Verkehrswende ist nicht nur massiv günstiger als der Autobahnausbau, sondern auch zielführender auf dem Weg, der sowohl die Umwelt als auch die Wirtschaft vom motorisierten Individualverkehr entlastet.
Quelle: Medienmitteilung VCS Sektion Glarus, 03.11.2024
Brennpunkt Netstal: Seit die neue Querspange eröffnet ist, ächzt die Glarner Wirtschaft unter noch mehr Stau. Transportunternehmen, Handwerker und Lieferanten brauchen immer länger auf den Glarner Strassen. Weil sich die Staukrise herumspricht, befeuert sie den Fachkräftemangel bei Glarner Unternehmen. Umweltorganisationen wie der VCS oder lokale Initiativen wie das Netzwerk «Glarus zukünftig mobil» setzen sich konsequent für die Verkehrswende ein und legen ihren Fokus auf Lösungen jenseits des Strassenbaus. So hat das Netzwerk dem Regierungsrat bereits am 21. Dezember 2022, gut ein Jahr vor der Querspangen-Eröffnung, die Petition «Glarner Verkehrswende jetzt» überreicht.
Von alten Töpfen und Zukunftsbildern
Am Aktionstag in Netstal haben die Teilnehmenden Informationen zum Referendum gegen den Autobahnausbau erhalten. Ein Nein ist dringend nötig, weil der Ausbau mehr Autos anzieht, zu mehr Baustellen, Lärm und Luftverschmutzung führt, wertvollen Boden verbraucht und der Lebensqualität schadet. Diesen Teufelskreis besang Liedermacher «Silberdistel» am Aktionstag zum Beispiel mit den Stücken «Asphalt» oder «Der alte Topf».
Unter die Teilnehmenden mischte sich auch der ehemalige Präsident des Verkehrs-Clubs der Schweiz, der gebürtige Glarner Ruedi Blumer: «Es ist immer wieder unglaublich, ins Glarnerland zurückzukehren – unglaublich schön die Landschaft und unglaublich zerstörerisch der Strassenverkehr.» Wie der Brennpunkt Netstal in 25 Jahren aussehen könnte, präsentierten die Veranstalter mit einem Zukunftsbild vom Wiggispark.
Dystopie oder Utopie
«Egal ob wir vor dem Verkehrskollaps warnen oder positive Zukunftsbilder zeichnen», stellt VCS-Sektionspräsident Werner Kälin fest: «Unsere Warnungen und Lösungsvorschläge werden von einem Grossteil der Politik und der Menschen belächelt. Kein Wunder: Noch lässt sich mit der Verkehrswende kein Blumentopf gewinnen. Zu gross ist der Druck der Auto- und Bauindustrie.»
Vor diesem Hintergrund setzt der Verkehrs-Club der Schweiz auf das Instrument der positiven Zukunftsbilder, die bewusst utopischer Natur sind. Es hilft den Menschen, die Potenziale der Verkehrswende für sich selbst zu erkennen und die Angst davor zu verlieren, ohne eigenes Auto zu leben oder sein Gewerbe nicht mehr betreiben zu können.
Von der Problembewältigung zur Lösungsfindung
Auch das Netzwerk «Glarus zukünftig mobil» setzt auf konstruktive Ansätze für die Verkehrswende. So hat es für eine Innovationstagung der kantonalen Kontaktstelle für Wirtschaft Marc Stoffel als Experten vermittelt. Er präsentierte der einheimischen Wirtschaft und Politik einen konkreten Lösungsansatz für das Strassenverkehrsproblem. Zudem ist das Netzwerk im Austausch mit dem Departement Bau und Umwelt, auch direkt mit dem Regierungsrat. Bereits 2022 hatte das Netzwerk mit der Petition «Glarner Verkehrswende jetzt» neue Ansätze empfohlen.
Besser lenken: Digitalisierung nutzen: Wir müssen die bestehenden Strassen besser nutzen, statt nur neue zu bauen. Zum Beispiel können digitale Ampelsysteme helfen, den Verkehr zu dosieren, statt ihn in den Dörfern zu stauen. Auch Mitfahrsysteme sind zentral: Dabei fahren Privatpersonen gemeinsam, statt allein im Auto.
Mehr teilen: Platz für alle machen: Der knappe Platz auf unserem Talboden gehört nicht nur dem Auto – er gehört der Landwirtschaft, die Biodiversität, der Freizeit. Die heutige Infrastruktur reicht für alle Verkehrsformen, wenn das Auto Platz macht: für Busse, für E-Bikes und normale Velos, für Fussgängerinnen und Fussgänger.
Klug vernetzen: Vorhandenes verbessern: Wir haben alles: Schienen, Strassen, Busse, Velo- und Fusswege. Vernetzen wir die verschiedenen Verkehrsmittel klug, sind wir klimagerechter unterwegs. Zum Beispiel fördert der Bund Verkehrsdrehscheiben – das sind Umsteigepunkte, wo frühzeitig vom eigenen Auto auf andere Verkehrsmittel umgestiegen wird.
Nein zu noch mehr wirtschaftsschädlichem Stau
Die Sozialdemokratische Partei (SP) des Kantons Glarus fasste an ihrem Parteitag in Ennenda die Parolen für die nationalen Abstimmungen vom 24. November. Erneut stehen wichtige Entscheide an, welche wesentliche Elemente des Alltags der Menschen betreffen.
Quelle: Medienmitteilung SP Kanton Glarus Glarus, 28.10.2024
Zum Autobahn-Referendum war Remo Goethe zu Gast am SP-Parteitag vom 22. Oktober 2024. Der Landrat und Co-Präsident der FDP Kanton Glarus setzte sich für ein Ja zu den rund fünf Milliarden Franken für den Ausbau von sechs Nationalstrassenprojekten ein.
Dem entgegnete SP-Geschäftsleitungsmitglied und Landrat Werner Kälin unter anderem mit über 30 Milliarden Folgekosten und einer landesweiten Verkehrszunahme, welche die so schon strapazierten Glarner Strassen belasten würde.
Kälin ist auch VCS-Sektionspräsident und betont: «Wir wissen längst, dass mehr Strassen zu mehr Verkehr führen. Nicht die Anzahl Spuren, sondern die Knoten bestimmen, ob sich ein Verkehrssystem hält oder nicht. Bauen wir also mehr Strassen, produzieren wir auch mehr Stau. Im Kleinen zeigt sich das an der neuen Querspange inklusive Kreisel in Netstal.»
Die Anwesenden liessen sich überzeugen, dass es nicht mehr Strassen, aber eine effizientere Nutzung der bestehenden Infrastruktur braucht.
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