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Halbzeit im Adventsfasten

Vor einer Woche wurde die Adventszeit angepfiffen – eigentlich schon am 11. November. Dass wir gerade mitten in einer traditionellen Fastenzeit stecken, ist aber so ziemlich vergessen gegangen, obwohl die Zeichen dafür auf Sturm stehen.


Am «11.11. um 11:11 Uhr» brettert jeweils die Fasnacht unvermittelt in den einen Moment hinein, nur um danach gleich wieder zu verschwinden. Warum eigentlich?


Weil die vorweihnachtliche Zeit eine traditionelle Fastenzeit ist. Vorher wird noch kurz auf den Putz gehauen, um dem Advent Platz zu machen – das gleiche Phänomen also, wie bei der Fasnacht vor Aschermittwoch.


Zeichen auf Sturm


Im aktuellen Zeitgeist fasten wir tatsächlich. Zumindest werden wir dazu aufgerufen. Die Lösungsvorschläge des Bundesrats für die Energiekrise leuchten uns von zahlreichen, auch strombetriebenen, Werbeformaten entgegen: Weniger heizen, kürzer duschen, Licht ausschalten!


Ja, voll – die Verschwendung ist das Urproblem unserer heutigen Krisen und müssten wir schon längst aus unserem Alltag verbannen. Sowohl die nationalen, als auch die kantonalen Lösungsvorschläge ähneln denen zur Bekämpfung der Klimakrise wie «weniger Fleisch essen, Secondhand-Kleider kaufen, aufs Handy verzichten!» und denen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wie «zuhause bleiben, Maske tragen, impfen lassen!».


Den Ansätzen gemeinsam ist der Fokus auf das individuelle Verhalten. Die latenten Apelle machen die Menschen allerdings nicht nur mürbe, sie sind allein auch nicht zweckmässig. Egal ob Klima-, Gesundheits- oder Energiekrise: Mit Eigenverantwortung allein kommen wir nicht aus Krisen, die durch die Kultivierung des Begriffs selbst ausgelöst wurden.



Schon längst ginge es um die Bekämpfung der Ursachen, die ebenfalls schon längst bekannt sind. Diese liegen nicht in erster Linie bei den Konsumenten und ihrem Verhalten, sondern vor allem bei den Produzenten und ihren Angeboten. Sie wollen, wie eh und je, möglichst viel profitieren und möglichst billig davonkommen.


Facebook Klimastreik Schweiz


Alles andere als billig wird es aber für Haushalte, das Kleingewerbe und für den Service public, wie zum Beispiel Spitäler. Sie bezahlen den höchsten Preis dafür, dass die grossen Stromverbraucher:innen und Treibhausgasemittent:innen den Ausbau erneuerbarer Energie blockieren und sich an fossilen Brennstoffen festklammern, um möglichst hohe Profite abzuschöpfen ohne Reserven für Krisensituationen zu schaffen.


Rote Karte für Gemeinderat


Klar sollen Einzelne ein nachhaltiges, weniger verschwenderisches Verhalten ausprobieren. Nicht zuletzt führt das auch zum wichtigen Gefühl, etwas beitragen zu können. Drüben im Kulturblog gibt es dazu den Buchtipp «101 Antworten für deinen nachhaltigen Alltag».


Es reicht aber nicht, sich selber nachhaltig zu verhalten. Oder in profitorientierter Manier ausgedrückt: Damit sich die persönliche Investition in die Nachhaltigkeit (und den Verzicht) lohnt, muss auch bei der Ursachenbekämpfung etwas passieren. Falls das nicht geschieht, endet das persönliche Verhalten irgendwann aus lauter Verzweiflung im Fatalismus.



Die Lösung findet sich im positiven Fatalismus. Im Fall unserer grossen Krisen gehört dazu der konstruktive Protest oder zumindest der Support der Menschen, die diese Rolle in der Gesellschaft für die anderen übernehmen – also hinter ihnen zu stehen, anstatt sie zu ignorieren oder sogar zu attackieren.


Ein Beispiel für einen konstruktiven Protest ist der offene Brief, den ich neulich im Namen des Vereins KlimaGlarus.ch gemeinsam mit Leana, Lisa und Franz verfasst, vorgelesen und verschickt habe.



Die Argumentation für das Aussetzen der Öko-Abgabe auf Strom lässt den Gemeinderat wie den Simulanten auf dem Fussballfeld erscheinen, der aus purer Verzweiflung eine Verzögerungstaktik anwendet.


«Jetzt unter dem Vorwand der Solidarität Mittel für die Energiewende zu verhindern, ist weder ökonomisch, ökologisch noch sozial nachhaltig. Gegenwärtig sind langfristige Investitionen in die Energiesicherheit zu tätigen, statt Symbolpolitik zu betreiben.» aus dem offenen Brief des Vereins KlimaGlarus.ch vom 29. November 2022

Ein anderes Beispiel von konstruktivem Protest sind der Aktionstag und die Petition «Glarner Verkehrswende jetzt», die ich zusammen mit Caroline, Priska und Rahel vom Netzwerk zukunftsfähige Mobilität Glarus auf die Beine gestellt habe.


Denn der künftige Stromverbrauch hängt eng mit den künftigen Mobilitätsangeboten zusammen. Wird das eigene Auto (auch das eigene E-Auto) weiterhin mit immer noch mehr Infrastruktur stark gefördert, sind Strommangellagen so sicher wie das Amen in der Kirche.


Absurderweise ist bei der E-Auto-Argumention gerade en vogue, dass es wegen seiner Batterie total wichtig ist, weil darin Solarstrom speicherbar ist. Zugegeben: eine gute Sache. Bloss muss danach die Diskussion geführt, wie das Auto auf allen Ebenen effzienter genutzt wird, als bisher. Diese Diskussion wird aber nicht geführt, währenddessen es sich aufgrund mangelnder anderer Angebote gut anfühlt, ein eigenes E-Auto zu haben.


Foul der Lobby


Der ökologische Fussabdruck: sobald es um Nachhaltigkeit geht, taucht er auf. Umweltorganisationen wie Greenpeace und WWF bieten Fussabdruck-Rechner an. Hier Copy & Paste, was der Klimastreik Schweiz dazu sagt:


Den Begriff 'Carbon Footprint' erfand das Unternehmen British Petroleum (BP) 2004 im Zuge einer grossen Imagekampagne. BP ist nichts anderes als eine der vier grössten Ölfirmen der Welt. Ein Unternehmen, das unter anderem jährlich Millionen in Lobbyarbeit investiert und 2010 eine Ölkatastrophe auslöste, bei der 800 Millionen Liter Öl in den Golf von Mexiko flossen.
Wie hat es eine Ölfirma geschafft, Menschen dafür ein schlechtes Gewissen einzureden, dass sie deren Produkte nutzen? Mit der Erfindung des ökologischen Fussabdruckes lenkte sie das Thema des Treibhausgasausstosses bewusst auf den individuellen Verbrauch. Die Geschichte wird so erzählt, dass eine Firma wie BP sich ihrer Verantwortung komplett entziehen kann. Denn: Wie soll BP einen ökologischen Fussabdruck haben? Das Unternehmen hat ja keine Füsse.
Erfolgreich ist die Idee des Fussabdrucks aber vor allem, weil sie nicht einfach falsch ist. Natürlich können individuelle Handlungen Treibhausgasemissionen vermeiden. Gleichzeitig können wir aber über die Hälfte unseres ökologischen Fussabdruckes nicht beeinflussen, da er uns durch unser Umfeld vorgegeben wird. Und: Wir brauchen einen tiefgreifenden Wandel, doch den können wir nur als Gesellschaft schaffen.
Deshalb: Vergiss deinen ökologischen Fussabdruck und denk mal lieber darüber nach, wie wir zusammen Wirtschaft und Politik so verändern können, dass wir eine Zukunft haben – und werde aktiv, wenn du es noch nicht bist!


Elfmeter für die «Jungen»


Wer von der Gesellschaft heute am meisten Unterstützung braucht, sind die jungen, engagierten Menschen, die sich ehrlich für eine bessere Zukunft einsetzen – so, wie ich mir das von meiner Generation in jenem Alter gewünscht hätte.


Nicht umsonst heisst es überall: Jetzt sollen die Jungen ran! Also lassen wir sie ran, statt sie nur als sinnstiftendes Projekt in die Welt zu setzen. Dazu gehört auch, sie zu verteidigen, wenn sie mal wieder aus dem Autofensterblick heraus angegriffen werden, weil sie so mutig und gescheit sind, mitten ins Schwarze zu treffen.


Ja, die Furchtlosigkeit der «Jungen» kann Angst machen. Bloss, wovor eigentlich?


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