Sie sind gerade in aller Munde. Oder besser: in aller Ohren. TV- und Printmedien berichten im Moment viel über sie – also eigentlich darüber, wie die Polizei versucht, ein immer lauter werdendes Problem anzupacken.
Es geht um den übermässigen Lärm von Sportwagen, SUVs oder Motorrädern, deren Fahrer mit Klappenauspuffen oder elektronisch verstärkten Soundanlagen auffallen und damit nicht nur nerven, sondern auch krank machen.
An Pfingsten wachten einige Autoposer im Kanton St. Gallen aus ihrem Lärmrausch auf. Das Ergebnis der Polizeikontrolle: Fünf Autos wurden aus dem Verkehr gezogen, 18 Männer angezeigt. Die Gründe: Vermeidbarer Lärm und nicht vorschriftsgemässe technische Manipulationen. Auch in Winterthur und im Aargau geht die Polizei vermehrt gegen die Krachmacher vor und in Chur wurden neulich 22 Fahrzeuglenker zur Anzeige gebracht – die meisten von ihnen, weil sie in der Nacht und in Wohnquartieren ihren Motor hochdrehten.
Laut Strassenverkehrsgesetz ist unnötiger Fahrzeuglärm im Wohngebiet zu vermeiden. Oft können die Fahrer selber nicht nachvollziehen, dass sie andere stören – geschweige denn, dass sie andere gesundheitlich gefährden.
Eigentlich eine Frage der Gesundheitspolitik
Was den einen gefällt, nervt die anderen – Fahrzeuglärm, der auch total erlaubt über 100 Dezibel laut dröhnt. So laut wie in einem Club, oder sogar lauter, aber einfach im öffentlichen Raum. Aber Lärm ist für alle – auch für die, die er nicht stört – ein gesundheitliches Risiko. Schon Kant erklärte sinngemäss, wie viel Freiheit der Einzelne beanspruchen kann: So viel, dass diejenige des anderen nicht tangiert wird.
Besonders Lärm, der sich vom üblichen Geräuschteppich abhebt oder plötzlich auftritt, also zum Beispiel nachts zu Aufwachreaktionen führt, löst Stress aus. Das fördert Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und führt durch stressbedingten Stoffwechsel zu Diabetes.
Lärm kann sogar töten: Jährlich sterben in der Schweiz laut SiRENE-Studie 500 Menschen an den Folgen des Lärms. Von übermässigem Strassenlärm sind im ganzen Land über eine Million Menschen betroffen. Es geht also nicht einfach um das Strassenverkehrsgesetz oder um ein paar «alte» Spassverderber: Es geht um den Schutz der Bevölkerung vor gesundheitlichen Schäden.
Ohrenbetäubender Rekord für die Schweiz
Die hohe Kaufkraft der Schweizerinnen und Schweizer führt dazu, dass überlaute Fahrzeuge in unserem Land weit verbreitet sind. Klappenauspuffe sind eigentlich seit 2016 verboten. Wurde ein Fahrzeugmodell aber bereits vorher typengenehmigt, können sie weiterhin unbeirrt in Neufahrzeuge desselben Typs eingebaut werden. Auch wenn sie der Leistungssteigerung dienen, bleiben sie zugelassen.
Die meisten Neufahrzeuge bleiben daher ganz legal mit Soundverstärkern bestückt. Sie knattern in der dicht besiedelten Schweiz ebenso durch Städte und Agglomeration, wie durch Dörfer im Mittelland und im Berggebiet. Hersteller, Händler und Garagisten sind nicht bereit, das Problem zu lösen. Zu verlockend sind die Umsatzzahlen, für die ihre aufmerksamkeitsliebenden Kunden sorgen.
Deshalb fordert die Lärmliga Schweiz ein allgemeines Verbot von lärmgetunten Fahrzeugen. Das geht, auch wenn es das Seco gerne anders behauptet, weil die bilateralen Verträge mit der Europäischen Union Ausnahmen vom freien Warenverkehr aus Gründen des Gesundheitsschutzes zulassen.
NGO macht Lärm für mehr Ruhe
Die Lärmliga Schweiz fordert seit Jahren Massnahmen zur Vermeidung von unnötigem Strassenlärm und ist erfreut, dass die Polizei ihre Kontrollen verschärft. Als Alternative zu den personalintensiven Kontrollen bietet sich der Einsatz eines Lärmradars an. 2019 wurde im Kanton Solothurn ein solches Pilot-Projekt gestartet.
Kontrollen und damit verbundene Anzeigen oder Ausserverkehrssetzungen sind aber nicht die einzige Lösung. Nebst einem allgemeinen Verbot liegen auch Sonntags- und Nachtfahrverbote auf der Hand. Die Lärmliga unterstützt politische Vorstösse in diese Richtung und setzt auf die Aufklärung der Bevölkerung. Mit einer Jahresmitgliedschaft oder einer Spende können Sie unser Engagement unterstützen.
Quelle: Diesen Beitrag durfte ich ursprünglich im Leiser_Blog der Lärmliga Schweiz veröffentlichen.
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