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Schaulauf im Fuchspelz

Gemeindeversammlungen sind wunderbar basisdemorkatisch und lassen sich mit Mobilisierung wundersam beeinflussen. Gestern war mein Einfluss eher bescheiden.


Schon im Vorfeld rechnete ich damit, dass es anstrengend wird. Schliesslich stand die Verkehrsberuhigung auf den Traktanden. Dabei mobilisierte zum Beispiel ich mit den SP-Parolen, einem Leserbrief und 160 Zetteln an die Nachbar:innen. Teile davon nutzten einige an der Versammlung zum Angriff.


Gemeindeversammlung am Freitag, 29. November 2024 um 19:30 Uhr in der Turnhalle Buchholz Glarus Kommen Sie auch, liebe Nachbar:innen! Bei Traktandum 3 geht es um die Verkehrsberuhigung. Von einer Zustimmung profitiert Ennenda sehr. Erfreulicherweise stimmt der Kanton zu, den Kirchweg in die Tempo-30-Zone zu integrieren. Auch Strassen wie etwa die Bahnhof-, Post-, Ennetbühler- und Villastrasse werden beruhigt. Vielen Dank für Ihre Stimme am Freitag für mehr Lebensqualität in unserem schönen Dorf. Werner Kälin


Rudelweise Sparchfüchse


Ich erinnere mich an die Gemeindversammlung vor zehn Jahren, an der die Vekehrsberuhigung eigentlich beschlossen wurde. Damals wie heute schoben die Gegner:innen das Sparargument vor.


Nach mehrfachen Neuplanungen, die mehrere Gemeindeversammlungen mit grundsätzlichem Wohlwollen der Sache gegenüber forderten, war nun wieder alles zu teuer. So erlag die Verkehrsberuhigung dem Sparhammer der FPD die Liberalen.


Das heisst: Es wurden hunderttausende Franken ausgegeben, um etwas abzubrechen. Wirklich schlauen Sparfüchsen wäre das nicht passiert. Zugegebnermassen hatte die FDP sehr gut Menschen mobilisiert, die mit Sparen argumentieren, obwohl sie bloss viel und schnell autofahren wollen – die scheinbar begehrteste Form des Zusammenlebens.



Kein Brot für echte Argumente


Schon bevor ich es hielt, war mein Votum verloren. Ich hatte eine liebe und eine hässige Variante vorbereitet. Ich entschied mich für die Liebe, weil der Hass schon tief in die Versammlung eingedrungen war.


Lieb


Herr Präsident Geschätzte Gemeinderät:innen Liebe Glarner:innen
Ich beantrage im Namen der SP, der Verkehrsberuhigung und dem Verpflichtungskredit von 680‘000 Franken zuzustimmen.
Seit zehn Jahren arbeitet die Gemeinde an der Verkehrsberuhigung. Machen wir das jetzt nicht fertig, wird's später noch teurer und im schlimmsten Fall abgelehnt. Wir würden also das Geld hinter der ganzen Arbeit auf die Strasse werfen. Besonders wirtschaftlich ist das nicht.
Die Gemeindeversammlung hat sich mehrmals für die Verkehrsberuhigung ausgesprochen. Legen wir das jetzt auf Eis oder setzen das sogar in den Sand, lassen wir die einen Dörfer und Quartiere im Stich, während andere bevorzugt sind.
Es gibt noch mehr Gründe für die Verkehrsberuhigung. Ich verschone Sie davor, stelle aber noch einen Eventualantrag.
Lehnt die Gemeindeversammlung die Verkehrsberuhigung insgesamt ab, soll sie heute Abend separat über die Umsetzung der Zone Ennenda und den Verpflichtungskredit von 123’000 Franken entscheiden.
Ennenda hat die Verkehrsberuhigung endlich verdient. Nicht zuletzt als eine der 50 schönsten Ortschaften der Schweiz. Und auch, weil es ein Spaziergang Wert ist für viele Menschen aus den anderen Ortsteilen.
Vielen Dank, dass Sie dem ganzen Paket oder mindestens der Zone Ennenda zustimmen.

Im Nachhinein hätte ich besser die hässige Variante verwendet. Die wäre mit Blick auf die vielen gegnerischen Voten noch längst anständig genug gewesen.


Hässig

Herr Präsident Geschätzte Gemeinderät:innen Liebe Glarner:innen
Ich beantrage im Namen der SP, der Verkehrsberuhigung und dem Verpflichtungskredit von 680‘000 Franken zuzustimmen.
Seit zehn Jahren arbeitet die Gemeinde an der Verkehrsberuhigung. Machen wir das jetzt nicht fertig, wird's später noch teurer und im schlimmsten Fall abgelehnt. Wir würden also das Geld hinter der ganzen Arbeit auf die Strasse werfen. Besonders wirtschaftlich ist das nicht.
Mich erstaunt immer wieder, wie falsch im Verkehr gerechnet wird. Wir machen das Ganze ja, weil es zu viele Autos hat. Also auch, damit mehr Leute zu Fuss oder mit dem Velo unterwegs sein können. Ganz im Sinne der kurzen Wege in unserer Gemeinde. Und mit der Absicht, dass weniger wirtschaftsschädlicher Stau ensteht.
Haben Sie gewusst, dass ein Privatauto im Jahr 1600 Franken externe Kosten verursacht? Das ist Geld, das die Öffentlichkeit (also wir alle) für den privaten Autokonusm Einzelner bezahlen. Für 680'000 Franken bräuchte es also 425 Personen, die auf ein Privatauto verzichten.
Es gibt noch mehr Gründe für die Verkehrsberuhigung. Ich verschone Sie davor, stelle aber noch einen Eventualantrag.
Lehnt die Gemeindeversammlung die Verkehrsberuhigung insgesamt ab, soll sie heute Abend separat über die Umsetzung der Zone Ennenda und den Verpflichtungskredit von 123’000 Franken entscheiden. Dafür bräuchte es noch 77 Personen ohne Privatauto.
Ennenda hat die Verkehrsberuhigung endlich verdient. Nicht zuletzt als eine der 50 schönsten Ortschaften der Schweiz. Und auch, weil es ein Spaziergang Wert ist für viele Menschen aus den anderen Ortsteilen.
Vielen Dank, dass Sie dem ganzen Paket oder mindestens der Zone Ennenda zustimmen.

Immerhin haben es meine Gegner:innen nicht geschafft, mich hässig zu machen. Dafür ist es mir gelungen, einen bis zwei von ihnen auf die Palme zu bringen.



Sieben dunkle Jahre


Die Gemeindeversammlung vom 29. November 2024 erinnert mich an die Ausgabe vom 24. November 2017. Damals setzte ich mich für eine Fussgänger- und Velobrücke ein und verlor. Die Gemeindeversammlung vom 31. Mai 2024 entschied sich schlussendlich doch noch für die Brücke. Gebaut ist sie noch nicht.


Ob nun die Vekehrsberuhigung in Glarus ebenfalls über sieben Brücken gehen und sieben dunkle Jahre überstehen muss, um doch noch bei den Menschen anzukommen, steht in den Sternen. Noch sind sehr viele Glarner:innen sehr stark autobezogen.



Nur wenige Tage nach der Niederlage an der Gemeindeversammlung, am 4. Dezember 2024, wird sich wieder alles um den den Verkehr drehen. Dann gewinne ich im Landrat gemeinsam mit anderen.


Für die Verkehrsachse durch den Hauptort Glarus beantragt der Landrat der Landsgemeinde den «Rückbau». Es dürfen also Massnahmen an der Kantonsstrasse getroffen werden, um den Aufenthalt in der Innenstadt angenehmer zu gestalten – falls die Landsgemeinde zustimmt.



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