In diesem Blog kann man mitmachen: im Ernst. Und weil Ernst mitmachen will, setzen wir uns hier und heute miteinander auseinander.
Liebe dreizehnte Fee
Ernst: Ich möchte Dich gerne was fragen. Mich nervt gerade eine E-mail von Herrn Pult, den ich gar nicht kenne.
Fee: Die E-mail habe ich als Abonnent des SP-Newsletters auch erhalten. Auch ich kenne Jon Pult noch nicht persönlich. Vielleicht bald, weil er als Vizepräsident der SP Schweiz auch sowas wie mein Chef ist. Grundsätzlich mag ich seinen politischen Stil.
Als erster Betschwander, der vor 35 Jahren einen «Komposter» aufstellte, rennt Herr Pult bei mir grundsätzlich offene Türen ein. Damals hiess die Bewegung noch Umweltschutz. Wir versuchten auch ganz im Kleinen, die Umwelt zu schützen oder zumindest zu schonen. Heute heisst das «Klimaschutz», das verstehe ich nicht. Wenn wir doch die Umwelt schützen, schützen wir ja gleichzeitig auch das Klima.
Klimaschutz ist ein Bestandteil von Umweltschutz. Jedoch hat der Klimaschutz ein spezielles Augenmerk auf die Emissionen in die Erdatmosphäre. Vor zwei Jahren habe ich für den Klimaschutz in der Verfassung des Kantons Glarus an der Landsgemeinde votiert – du siehst und hörst mich im Beitrag «Reden heisst nicht schweigen».
Ich habe irgendwo gelesen, dass der Mensch und die Nutztiere die grössten Klimasünder seien und dass wir mit einer Reduzierung der Menschen, auch gleichzeitig das Klima schützen. Aber es ist mir schon klar, liebe Fee, dass dieses Argument nur symbolisch gemeint ist.
Zu diesem Thema habe ich meine Gedanken vor ein paar Jahren im Beitrag «Wach sein, wenn es unanständig wird» gesammelt. Es ist einer meiner meistgelesenen Artikel. Wie du schreibst, handelt es sich um kein Argument.
Jetzt will man offenbar mit Solarzellen, die aus giftigen Materialien bestehen, produzieren und installieren. Diese werden dann hoffentlich nicht so aufgebaut, wie ich es im Zug von München fahrend gesehen habe. Da stand eine riesige Anlage mitten in einem flachen, für Bauern gut zu bewirtschafteten Land. Die einzelnen Panels waren aber derart eng nebeneinander aufgestellt, dass die Sonne kaum die Erde berühren konnte. Ist das nicht etwas sonderbar, liebe Fee?
Gerade heute habe ich von Michael Elsener erfahren, wie das mit den Gebieten für solche Anlagen geht. Oder besser: Wo solche Anlagen nicht möglich sind – nämlich auf 21 Prozent der Fläche der Schweiz, z. B. auf Hochmooren, Trockenwiesen oder schützenswerten Biotopen. Auch Flächen, die praktisch für die Landwirtschaft sind, entfallen.
Und, liebe Fee, was mir bisher noch niemand erklären konnte: Wieso wird nicht darüber gesprochen, wieso wir immer mehr Strom brauchen? Klar, die Elektroautos mit ihren giftigen Batterien, die mit viel seltener Erde aus Ländern mit katastrophalen Arbeitsbedingungen hergestellt sind, brauchen Strom. Ich habe aber auch gehört, dass das letzte Jahr neu erstellte Rechenzentrum in Winterthur soviel Strom benötigt, wie eine kleinere Stadt. Und wieviel Strom brauchen eigentlich die Bitcoins-Produktionen oder das 5G-Netz?
Das frage ich mich auch immer wieder. In einem wachstumsgesteuerten System kann man sich offfenbar nicht vorstellen, wie wir mit weniger Verbrauch auch gut leben könnten. Ja: Eigentlich geht es um den System Change. Der Ruf danach scheint verhallt zu sein, obowohl alle wissen, dass es ihn braucht.
Wir müssten doch mit den Stromsparlampen, den Netzfrei-Schaltern, den Hotels die «Go Green»-Konzepte entwickelt haben, damit sie nicht jeden Tag die Bettwäsche waschen müssen, dem Ogi-Ei und der vielen Menschen, die anstatt zu baden nur noch duschen…endlich weniger, oder gleich viel Strom brauchen?
Beim Strom finde ich spannend, wie die knappste Zeit genau auf die Fastenzeit fällt – im Frühjhar ist Strom genauso knapp, wie es früher die Lebensmittelvorräte waren. Zum Beispiel schreibe ich in «Suffizienz heisst das Zauberwort» und in «Change Mangagement im Klimakterium» darüber.
Wenn du den starken Anstieg des schweizerischen Stromverbrauchs um 1970 ansiehst, waren es damals staatliche Massnahmen (Bewilligung von Elektrostpeicheröfen), die zum massiven Stromverbrauch geführt haben.
Auch ich denke, dass wir laufend neue Fehler machen. Heisst das aber, dass wir nichts tun oder nichts versuchen sollen? Und auch ich bin kein grosser Fan der Subventionierung der Wirtschaft unter dem Deckmantel des Klimaschutzes. Gleichzeitig ist es ein Teil des Versuchs, etwas zu unternehmen. Der Teil, der auf Akzeptanz stösst. Leider laufen wir Gefahr, dass unsere Anstrengungen genau da aufhören, wo es anstregend wird.
Und was ist eigentlich geschehen mit der Abholzung der Regenwälder und den zubetonierten Böden, mit den riesigen Öl-Tankern, die täglich, tonnenweise immer noch Schweröl verheizen? Halt Umweltthemen... es wird noch über diese Themen gesprochen, aber kümmern sich Regierungsorganisationen darum?
Wir leben in einer Zeit, in der nur relevant ist, was am meisten Reichweite hat, also am meisten Klicks generiert. Was schnell und stark aufregt, lenkt die Menschen vom Wesentlichen ab. Der Krieg der Informationen ist längst im Gange. Das gab's auch früher, dass die Menschen mit neuartig vielen Informationen überflutet wurden – z. B. als das Fernsehen aufkam oder, noch früher, als die Bibel übersetzt wurde, also auch im Zuge der Reformation.
Täglich lesen wir in der Presse, dass es schon längst 5 vor 12 gewesen ist, also müssten wir nicht wieder auch über die Umwelt sprechen, anstatt nur über das Klima?
Im Ernst: Denkst du wirklich, dass sich etwas verändern würde, wenn statt von Klima von der Umwelt gesprochen würde? Da musst du vermutlich etwas über deinen Schatten springen und die Menschen, die sich ehrlich für den Klimaschutz einsetzen, auch als Botschafter:innen für den Umweltschutz betrachten.
Es nervt halt, liebe Fee, aber das wirst vielleicht nur du (hoffentlich) verstehen?
Das verstehe ich tatsächlich sehr gut. Ich persönlich habe mich für einen politischen Weg entschieden, auch wen er noch so unbedeutend klein bleibt, weil ich mich so lange über so viele Dinge genervt habe, bis es mich mehr genervt hat, dass ich mich überhaupt nerve. Jetzt habe ich zwar diese Politik am Hals, aber ich habe das Gefühl verloren, dass ich vor lauter Mich-nerven keine Kraft mehr habe, etwas zu unternehmen.
Liebe Grüsse
von Ernst Baumgartner
Auch liebe Grüsse
von Fee
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