Um keine Überdosis Liebe abzukriegen, eignet sich Politik ziemlich gut als Ersatzdroge. Sie kann recht sexy und leidenschaftlich sein.
In meiner sozialdemokratischen Welt hat sich im ersten Halbjahr einiges abgespielt. Ohne die Zusammenarbeit mit anderen Menschen mit geteilter Haltung – ohne Liebe zu den Verbündeten – würde sie mich kaum anziehen.
Wahl ermöglichen
Schon im Februar hatte sich der kantonale SP-Parteitag für die Suche nach einer Nationalratskandidatur entschieden. Es wurde Mai, bis ein weiterer Parteitag die Kandidatin nominierte. Damit war der Wahlkampf um die drei Sitze eröffnet, für die es zuvor nur je eine Kandidatur gegeben hatte.
Inzwischen hat auch die SVP ihre Kandidaten nominiert. An den Parlamentswahlen beteiligen sich im Kanton Glarus mit der SP, den Grünen, der Mitte, der FDP und der SVP ausser den Grünliberalen alle Parteien, die im Landrat vertreten sind.
Mich freut es besonders, dass die SP Kanton Glarus eine starke, erfahrende und gewinnende Persönlichkeit wie Sabine Steinmann für das Glarnerland nach Bern schicken kann, will und hoffentlich wird.
Hand heben
Jeweils am ersten Sonntag im Mai stimmen die Glarner:innen in einer Outdoor-Arena über Sachgeschäfte ab. Andere kantonale Abstimmungsgelegenheiten gibt es nicht. An der Urne werden nur Regierungs-, Land- und Gemeinderät:innen gewählt.
So richtig spannend war die Landsgemeinde vom 7. Mai 2023 nicht. Zuerst regnete es in Strömen. Ihre Parolen stellte die SP in ihrer Landsgemeindezeitung dar. Sie brachte einen Memorialsantrag ein, der leider keine Chance hatte.
Ein Jahr zuvor war die SP erfolgreich und verhinderte die Privatisierung der Kantonalbank. Das war mit Blick auf das Bankendebakel um die Credit Suisse ziemlich vorausschauend. Einen Erfolg konnte die SP aber auch dieses Jahr einfahren: René Hauser wurde Kantonsrichter.
Schneekanonen kritisieren
Ende Mai ging es wieder um Partizipation. Dieses Mal mit einer Veranstaltung für die Mitwirkenden beim Projekt «Futuro Elm». Es geht im Kern um eine Beschneiungsanlage zwecks Rettung der Sportbahnen. Im August vor einem Jahr machte ich mit der SP, aber auch mit einer losen Gruppierungen von der Mitwirkung Gebrauch.
So kam es, dass ich drei Stunden in Glarus Süd sass und informiert wurde, dass es den Winter brauche, um den Sommer zu finanzieren. Was es im Sommer brauchen würde, um das Verhältnis zu kehren, wurde als Szenario nicht einmal erwägt.
Weil man nicht immer gewinnen kann: Das Projekt wird ziemlich sicher realisiert. Formal scheint alles tiptop zu sein. Die Sinnfrage bleibt erlaubt.
Freibad retten
Auch auf Gemeindeebene versammeln sich im Glarnerland die Stimmbürger:innen live zur Abstimmung über Sachgeschäfte. Dort sogar zweimal jährlich, dafür nicht unter freiem Himmel – in meiner Gemeinde meistens in einer Turnhalle.
An der Gemeindeversammlung vom 2. Juni 2023 ging es unter anderem um die Entwicklung eines neuen Quartiers. In diesem Zusammenhang hatte ich 2017 das erste Mal an einer Gemeindeversammlung ein Votum gehalten, damals für den Linthsteg als Verbindung des Quartiers zum Bahnhof. Die Fussgänger- und Velobrücke wurde damals zurückgewiesen und ist noch immer nicht gebaut.
Ihren Fokus legte die SP Ortspartei aber auf ein Freibad. Obwohl ich noch nie dort war, lag mir die Fortführung dieses öffentlichen Angebots am Herzen. Es ging in erster Linie um die Mobilisierung. Sie gelang und das Freibad wird nach der laufenden Saison saniert.
Frauen streiken
Der 14. Juni ist der Tag des Frauenstreiks. Wenigstens eine Übersicht über den historischen Hintergrund, die Aktionen in Glarus und einen Aufruf zur Demonstration in Zürich lagen dieses Jahr drin. Ein Statement hat es von mir auch noch gegeben:
«Für mich ist die Gleichberechtigung der Frauen der Gradmesser für die Gleichberechtigung aller Menschen – auch für lesbische, schwule, bisexuelle, trans, queer, intergeschlechtliche und asexuelle Menschen – ‘kurz’ LGBTQIA+. Solange Frauen nicht gleichberechtigt sind, stehe ich als schwuler Mann an ihrer Seite im gemeinsamen Kampf.» Werner Kälin, GL-Mitglied SP Kanton Glarus und Mitglied SP queer
Auch ein Aufruf zur Zurich Pride am darauffolgenden Wochenende durfte nicht fehlen. Mehr darüber oder woran ich zum echten Christopher Street Day dachte, ist im Beitrag vom 28. Juni 2023 zu lesen.
Klima schützen
Am gleichen Wochenende waren auch eidgenössische Abstimmungen. Die SP punktete mit ihrem Nein zur OECD/G20-Mindestbesteuerung zwar nicht, gewann aber – wie die meisten anderen Parteien – mit dem Ja zum Klima- und Innovationsesetz. Und das Covid-19-Gesetz –
Zum Klimaschutz-Gesetz sagte ich zwar auch ja und schickte sogar einen Leserbrief ein, war und bin aber enttäuscht über diese «Lösung» für die Herausforderung Klimawandel. Aus dem Ruf nach dem System Change ist ein System Support geworden. Das Gesetz fördert Technologien und subventioniert die Wirtschaft – also das System, das uns in die missliche Lage geführt hat.
Ziemlich grotesk, dass die Schweizer Stimmbevölkerung am gleichen Abstimmungswochenende mit dem Ja zur OECD-Vorlage dieser Wirtschaft gleich nochmals die Taschen füllt.
Fraktion schmieden
Gut möglich, dass noch was im politischen Semesterreport fehlt – allen zuliebe ist hier nun trotzdem Schluss. Bis auf eines: Am Fraktionsausflug der SP-Landrät:innen war ich zwar ferienhalber abwesend, durfte aber ein paar Programm-Tipps abgeben: Essen gab's in meiner Dorfbeiz Central und die Führung fand im zukunftsträchtigen Möbeliareal statt.
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